Full text: Staatsrecht des Königreichs Bayern.

16 Erster Abschnitt: Geschichtl. Einleitung. II. Bayern vom Ende des 18. Jahrhunderts bis 1818. 88. 
Als „Obertribunal“ wurde ein Oberappellationsgericht in München gebildet. 
Für je zwei Kreise, ausnahmsweise für einen, sollte ein Appellationsgericht als zweite In- 
stanz in Zivilsachen und erste entscheidende Stelle in peinlichen Fällen errichtet werden. Die Zahl 
der Appellationsgerichte war hiernach neun. 
Untergerichte d. h. erste Instanzen in Zivilsachen und instruierende Behörden in peinlichen 
Prozessen waren die Stadtgerichte (Kollegialgerichte), die Landgerichte und Patrimonialgerichte. 
Die Wechselgerichte blieben aufrecht erhalten. 
Die besonderen Berggerichte wurden durch das organische Edikt über die Berggerichtsver- 
fassung vom 14. September 1809 aufgehoben. 
Die standesherrlichen Gerichte erster Instanz hatten nach dem Edikte vom 24. Juli 1808 
gleiche Verfassung, wie die königlichen Untergerichte anzunehmen. Appellationsinstanz über ihnen 
war die standesherrliche Justizkanzlei. 
Die Patrimonialgerichtsbarkeit wurde unter bedeutender Einschränkung derselben durch das 
organische Edikt vom 8. September 1808 geregelt, während die gutsherrliche Polizeigewalt nach 
dem organischen Edikte vom 28. Juli gl. Is. sich bemaß. 
Die neue Kreiseinteilung des Königreichs im Jahre 1810 hatte auch eine Aenderung der 
Appellationsgerichtssprengel zur Folge. Jeder der neun Kreise erhielt ein Appellationsgericht. 
Ebenso schloß sich die Bildung der Appellationsgerichtsbezirke an die Kreiseinteilung von 1817 an. 
Einen bedenklichen Rückschritt in der Verfassung der Untergerichte bezeichnet das organische 
Edikt vom 16. August 1812 über die gutsherrliche Gerichtsbarkeit. 
Das Edikt regelte die Verhältnisse der sämtlichen gutsherrlichen Gerichte, welche in Herr- 
schaftsgerichte und Ortsgerichte geteilt wurden. 
Die gutsherrlichen Gerichte vereinigten, gleich den königlichen Landgerichten, richterliche und 
polizeiliche Zuständigkeiten. 
Die Verordnung begünstigte geradezu die Bildung gutsherrlicher Gerichte, indem sie nicht 
nur den kauf= und tauschweisen Erwerb von Gerichtsholden zwischen Gutsherren gestattete, sondern 
auch „zum Behufe der Purifikation gutsherrlicher Gerichte“ zuließ, daß die Gerichtsbarkeit über 
Familien, welche unmittelbar unter den königlichen Landgerichten gesessen waren, „mittels eines 
Tausches oder durch Infeudation erworben“ werde. 
4. Finanzwesen. Für die Finanzverwaltung wurden durch organisches Edikt vom 8. August 
1808 besondere Kreisstellen, die Kreis-Finanz-Direktionen, errichtet, die, durch Verordnung vom 
7. Oktober 1810 neu gebildet, bis zur Formationsverordnung vom 27. März 1817 bestanden. 
Eine Verordnung vom 8. Angust 1808 reorganisierte serner das Kassenwesen. 
An die oben (S. 13) erwähnten Maßnahmen zur Reform der Ertragsteuern schloß sich 
unterm 25. November 1808 die Aufhebung der bisherigen Personalsteuern und die Einführung 
einer neuen, des Familienschutzgeldes. 
Dasselbe wurde in 8 Klassen mit Sätzen von 20 Kr. bis 12 fl. ohne Rücksicht auf sonstige 
Besteuerung von jedem „Familienoberhaupte“, d. h. jeder selbständigen Person mit eigenem Ein- 
kommen, erhoben. 
Durch Edikt vom 30. September 1811 wurde die bevorstehende Einführung des allgemeinen 
Steuerprovisoriums angekündigt und den Stenerpflichtigen die Möglichkeit eröffnet, wegen unrich- 
tiger Anwendung des Edikts vom 13. Mai 1808 bei ihrer Veranlagung Einspruch zu erheben. 
Das Steuermandat vom 22. November 1811 ordnete sodann an, daß im Laufe des Etats- 
jahres 1811/12 das allgemeine Stenerprovisorium im ganzen Königreiche mit Ausnahme von Bai- 
renth, Salzburg, Berchlesgaden, dem Inn= und Hausruckviertel und Tirol zur Anwendung kommen 
solle. Hienach sollten mit Eintritt des Provisoriums als direkte Staatsstenern nur mehr die Grund- 
steuer, Haussteuer, Dominikalsteuer, Gewerbestener, Familienstener und die aus der früheren 
Mähnatanlage oder dem Weggeldsurrogat hervorgegangene Zugviehstener bestehen. 
Im Jahre 1814 konnte durch das Steuermandat die Ausdehnung des Provisoriums auch 
auf Bairenth, Salzburg, Berchtesgaden sowie das Jun= und Hausruckviertel angeordnet werden. 
Damit war für die älteren Landesteile ein vorläufiger Abschluß gegeben. Die neu erwor- 
benen Fürstentümer Würzburg und Aschaffenburg nahmen eine Sonderstellung ein. 
Nunmehr regelte eine Verordnung vom 18. Februar 1814 das Verhältnis zwischen der 
provisorischen Grund= und Dominikalsteuer, nahm eine weitere Verordnung vom 15. April gl. Is. 
die im Edikte vom 13. Mai 1808 vorgesehene periodische „Rektifikation“ der Gewerbestener vor, 
erfolgte endlich unterm 10. Dezember 1814 eine „Leuteration“ des Edikts über das Familienschutz- 
geld, welch letzteres die Bezeichnung allgemeine Familiensteuer und eine neue Einteilung, nach Be- 
russ= und Erwerbsarten und Steuerklassen erhielt. 
Inzwischen hatten auch die Arbeiten für das Grunmdsteuerdefinitivum Fortschritte gemacht,
	        
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