18 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. I. Der Herrscher. § 10.
und bezüglich der religiösen Kindererziehung im Sinne des elterlichen Bestimmungsrechtes Anord-
nung getroffen.
Eine Veror dnung vom 7. Mai 180°4 regelte, in den Hauptpunkten auf der Grund-
lage des bisherigen Rechtes, „die Verhältnisse zur geistlichen Gewalt“.
In Redewendungen, welche teilweise wörtlich in die Verfassungsurkunde übergegangen sind,
wird betont, daß die weltliche Regierung in rein geistliche Gegenstände des Gewissens und der
Glaubenslehre und in die Handhabung des bischöflichen Oberhirtenamtes über innere Kirchenan-
gelegenheiten sich nicht weiter einmische, „als um Mißbräuche, die dem Wohle des Staates nachteilig
werden könnten, zu verhüten“". Andererseits werde auch nie geduldet werden, „daß die Geistlichkeit
und irgend eine Kirche einen Staat im Staate bilde“ und „in ihren weltlichen Handlungen und
mit ihren Besitzungen den Gesetzen und den gesetzmäßigen Obrigkeiten sich entziehe“. Die weltliche
Oberaufsicht werde immer strenge gehandhabt werden. In gemischten Angelegenheiten werde der
Landesherr seine Mitwirkung nicht ausschließen lassen.
Der Begriff der letzteren Angelegenheiten wurde allerdings ziemlich weit ausgedehnt und
durch eine Mehrzahl einschneidender Maßregeln in das katholische Kirchenwesen eingegriffen. Ins-
besondere führte die Regierung einen sehr entschiedenen Feldzug gegen überflüssige Ceremonien und
vor allem gegen die übermäßig angewachsenen Klöster.
Den Abschluß der Entwickelung des Staatskirchenrechts bis zur Verfassungsurkunde von
1818 bildet das Edikt vom 24. März 1809 „über die äußeren Rechtsverhältnisse der Ein-
wohner des Königreichs Bayern in Beziehung auf Religion und kirchliche Gesellschaften, zur näheren
Bestimmung der §§ VI und VII des ersten Titels der Konstitution“.
Dieses Edikt, dessen Bestimmungen teilweise dem preußischen Landrechte entnommen sind, ist
zum größten Teile wörtlich in das Religionsedikt von 1818 übergegangen.
Während im bayerischen Kirchenstaatsrechte diese Wandlungen sich vollzogen, hatten seit
1802 zur Regelung der Beziehungen mit der katholischen Kirche Verhandlungen begonnen, die nach
manchfachen Wechselfällen in dem Konkordate ihren Abschluß fanden, das mit der Verfassungs-
urkunde veröffentlicht wurde.
Ein Bild des verwickelten diplomatischen Schachspieles, welches der Vereinbarung des Kon-
kordates vorausging, in kurzen Zügen zu geben, ist nicht möglich und bei dem erschöpfenden Auf-
schlusse, welchen H. von Sicherer's ausgezeichnetes Werk 1) gibt, auch nicht nötig.
Mit geringeren Schwierigkeiten, als dies bei der katholischen Kirche der Fall war, vollzog
sich die Konsolidierung der protestantischen Landeskirche Bayerus, welche in dem Träger der Staats-
gewalt auch den Träger des Episkopates erblickte.
Ueber die rechtliche Stellung der jüdischen Glaubensgenossen wurde unterm 10. Juni 1813
ein Edikt erlassen. Dieses Edikt unterwarf die Juden in bürgerlicher und staatsbürgerlicher Be-
ziehung einem höchst nachteiligen Sonderrechte, wenn es auch ihre Lage gegen früher wesentlich
verbesserte. In staatskirchenrechtlicher Hinsicht wurden ihnen die Befugnisse der Privatkirchenge-
sellschaften nach dem Edikte vom 24. März 1809 insoweit eingeräumt, als nicht die Verordnung
vom 10. Juni 18138 ein anderes festsetzte.
Zweiter Abschnitt.
Staat und Staatsverfasfung.
I. Kapitel.
Der Herrscher?).
§ 10. Natur und Inhalt der Herrschergewalt. „Das Königreich Bayern“, so er-
klärt die Verfassungsurkunde (Tit. I § 1), „in der Gesamtvereinigung aller älteren und
neueren Gebietsteile ist ein souveräner monarchischer Staat".
1) Staat und Kirche in Bayern vom Regierungsantritt des Kurfürsten Maximilian Joseph IV.
bis zur Erklärung von Tegernsee 1799—1821, München 1874. Vgl. außerdem M. Frhr. v. Ler-
chenfeld, zur Geschichte des bayerischen Konkordats, Nördlingen 1883, E. Mayer, die Kirchen-
hoheitsrechte des Königs von Bayern S. 104. M. Frhr. v. Lerchenfeld, aus den Papieren
des k. b. Staatsministers M. Frhr. v. Lerchenfeld, Nördlingen 1887, S. 79 ff.
2) lleber die Natur der Herrschaft und des Staates s. v. Seydel, Grundzüge einer all-