Vorwort zur dritten Auflage.
Max von Seyde habe ich in seinen schweren Leidenstagen, als allmählich seine
Hoffnung auf Wiedergewinnung der vollen, nie rastenden Arbeitskraft sank, das Versprechen
gegeben, daß ich sein „Bayerisches Staatsrecht“ gegenüber der Flut neuer Gesetze vor dem
Veralten bewahren wolle. Ich gab nur mit Zögern meinem hochverehrten Freunde und
Lehrer die Zusage; meine Bedenken traten vor der Erwägung zurück, daß er meine Zu-
stimmung als einen Beweis der Treue und Dankbarkeit erwarten konnte.
Zum teuren Vermächtnisse ist viel zu früh sein ehrender Wunsch geworden! Ich
werde versuchen, getreu im Sinne des Verewigten, meine rechtliche Ueberzeugung auszu-
sprechen und nach seinen Absichten das Meisterwerk seines Schaffens fortzuführen, soweit
meine Kräfte und mein Beruf es gestatten.
Zunächst ist die Bearbeitung der kleineren Ausgabe des bayerischen Staatrechtes not-
wendig geworden. Im Hinblick auf den vorgezeichneten engen Rahmen des Buches unter-
ließ ich es, Aenderungen in der Anordnung des Stoffes vorzunehmen, welche M. v. Seydel
für eine etwaige Neuauflage der großen Ausgabe in Aussicht genommen hatte. Meine
Aufgabe bestand im wesentlichen in der Ergäuzung und Berichtigung der Darstellung,
welche durch die Gesetzgebung vielfach überholt war.
Von der Aufnahme der zahlreichen Uebergangsvorschriften, welche die Einführung
des Bürgerlichen Gesetzbuches und seiner Nebengesetze begleiteten, nahm ich Abstand. Um
das Buch möglichst evident zu stellen, wurde zur Ergänzung ausschließlich auf die zweite
Auflage des großen Staatsrechtes verwiesen: Der Zusammenhalt beider Bearbeitungen
wird, wie ich hoffe, vorerst ein möglichst vollständiges Bild des gegenwärtigen Standes
unseres öffentlichen Rechtes bieten.
Korrespondenzen und Besprechungen über staatsrechtliche Fragen mit M. v. Seydel,
sowie schriftliche Aufzeichnungen von seiner Hand sind bei Bearbeitung der neuen Auflage
von mir verwertet worden.
München im Juni 1903.
Graßmann.