24 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. 1. Der Herrscher. 8 13.
5. Die Ehe muß eine ebenbürtige sein. Die Frage der Ebenbürtigkeit beant-
wortet sich, mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung, nach deutschem Privat-
fürstenrechte.
Gemeinrechtlich wird der Satz gelehrt, daß jede an sich nicht ebenbürtige Ehe durch
die Zustimmung aller nachfolgeberechtigten Agnaten in eine ebenbürtige verwandelt werden
könne. Für das bayerische Staatsrecht ist dieser Satz keinenfalls richtig.
Bei Anerkennung der an sich unebenbürtigen Ehe eines Mitgliedes des königlichen
Hauses als ebenbürtige handelt es sich nicht um ein Abkommen über persönliche gegenseitige
Rechtsverhältnisse, sondern um einen Akt der Gesetzgebung. An die Stelle der geltenden
allgemeinen Rechtsvorschrift soll eine besondere Rechtsvorschrift für einen einzelnen Fall ge-
setzt werden. Dicse letztere wird also nur in der Form zustande kommen können, welche
für Abänderung der ersteren vorgeschrieben ist, d. h. hier in der Form des verfassungsän-
dernden Gesetzes.
Die Erfordernisse der Thronfolgefähigkeit, welche von der Verfassungsurkunde auf-
gestellt werden, sind erschöpfend. Insbesondere schließt Regierungsunfähigkeit von der
Thronfolge nicht aus. Ebensowenig ist das Glaubensbekenntnis oder die Zugehörigkeit
zum geistlichen Stande von Einfluß.
Die Thronfolgeordnung der Agnatent) (ordentliche Thronfolge) ist durch
die Verfassung nach jenen Grundsätzen geregelt, wie sie in Bayern bereits zur Zeit des
alten Reiches, und zwar endgültig durch Albrecht des V. Verordnung vom 11. April 1578
zur Anerkennung gelangt waren und in der Verfassung von 1808 wie in dem Familien=
gesetze von 1816 festgehalten wurden.
Die Thronfolgeordnung beruht auf dem Gedanken der Unteilbarkeit des bayerischen
Staates. Hieraus ergibt sich, daß zur Krone stets nur einer aus dem Kreise der Be-
fähigten gelangen kann.
Bei der agnatisch-linealen Thronfolge mit dem Vorrechte der Erstgeburt entscheidet
das Alter zwischen den Söhnen des ersten Erwerbers. Von da ab tritt Linealfolge ein,
d. h. die Linie, welche von einem jüngeren Sprossen abstammt (jüngere Linie"“), kommt
erst dann zur Thronfolge, wenn der thronfolgefähige Mannsstamm der älteren Linie ab-
gestorben ist. Innerhalb jeder Linie aber waltet wiederum der Vorzug der Erstgeburt.
Eine Berücksichtigung der Nähe des Verwandtschaftsgrades zum letzten Träger der Krone
ist unbedingt ausgeschlossen.
Die Frage, ob bei der Thronfolgeordnung auch der Ungeborene im Mutterleibe in
Betracht kommen könne, wird von der Verfassung nicht entschieden. Privatrechtliche Regeln
können hiefür an sich nicht ausschlaggebend sein. Indessen spricht für die Bejahung der
Frage eine allgemeine Rechtsanschanung. Außerdem läßt sich die Erwägung geltend machen,
daß bei Uebergehung des im Augenblicke der Thronerledigung Ungeborenen eine Verwir-
rung der verfassungsmäßigen Thronfolgeordnung eintreten würde, wenn nachträglich ein
Agnat zur Welt käme. Denn die Bestimmungen der Verfassung über die Thronfolge sind
auf den Fall einer solchen Uebergehung nicht berechnet.
Wenn der Mannsstamm des königlichen Hauses ausgestorben ist, greist die außer-
ordentliche Thronfolge Platz.
Die Verfassungsurkunde kennt zwei Formen derselben: die Thronfolge kraft Erb-
verbrüderung und die Thronfolge der Kognaten. Die erste tritt vor der zweiten ein.
1) Die Thronfolgeordnung kann durch Verfassungegesetz auch ohne Zustimmung der Agnaten
gcändert werden. Die Ausführungen von Arndt, Recht der Agnaten auf Thronfolge, Berlin
1900, sind mit Recht als unrichtig bezeichnet worden im Archiv f. öff. Recht XV S. 601 und
T. Kutzer in der Rrit. Vierteljahrschrift XILIII S. 123.