§ 133. Die Sonderstellung des bayerischen Heerwesens im Reiche. 373
3. Das bayerische Heer tritt im Kriege, und zwar vom Augepblicke der verfügten
Kriegsbereitschaft an, unter den Befehl des Kaisers 1). Die Verpflichtung der bayerischen
Truppen, im Kriege dem Bundesfeldherrn zu gehorchen, wird in den Fahneneid aufge-
nommen, den sie ihrem Könige leisten (a. a. O. Ziff. IV). Das bayerische Heer bleibt
auch im Kriege ein in sich geschlossener Bestandteil des Bundesheeres, hat selbständige
Verwaltung und steht unter der Militärhoheit des Königs. Der Kaiser wird im Kriege
nicht Bundesfeldherr über die bayerischen Truppen im Sinne der Reichsverfassung, d. h. er
erhält Bayern gegenüber diejenigen Befugnisse nicht, welche nach Art. 63 ff. der Reichs-
verfassung mit dem Bundesfeldherrnamte verknüpft sind — denn für Bayern gelten diese
Artikel nicht —, der Kaiser erhält nur den Oberbefehl.
Besondere Bestimmungen enthalten der Bündnisvertrag mit Bayern (a. a. O. Ziff. V)
und das Schlußprotokoll hiezu (Ziff. XIV §§ 1—3) bezüglich der Festungen, welche in
Bayern bestehen oder künftig anzulegen sind ). Die bayerischen Festungen sind Landes-
festungen. Die Anlage neuer Befestigungen in Bayern kann nur auf Grund jeweilige
Vereinbarung des Reiches mit Bayern erfolgen. Solche Anlagen treten bezüglich des un-
beweglichen Materiales in bayerisches, bezüglich des beweglichen Materiales in Reichs-
eigentum.
Das Aussichtsrecht, welches dem Kaiser nach Art. 63 der Reichsverfassung gegenüber
den Kontingenten zusteht, erleidet Bayern gegenüber Einschränkungen. Der Bündnisvertrag
(a. a. O. Ziff. III) schreibt zwar auch Bayern gegenüber dem Bundesfeldherrn „die Pflicht
und das Recht“ zu, „sich durch Inspektionen von der Uebereinstimmung in Organisation,
Formation und Ausbildung, sowie von der Vollzähligkeit und Kriegstüchtigkeit des baye-
rischen Kontingentes Ueberzeugung zu verschaffen“, allein er beschränkt dieses Inspektions-
recht nach zwei Richtungen hin. Der Kaiser muß sich 1. „über die Modalitäten der je-
weiligen Vornahme“ d. h. sowohl über deren Zeit als auch über die Person des Inspekteurs
mit dem Könige von Bayern „ins Vernehmen setzen“ er bedarf demnach der Zustimmung
des Königs von Bayern, die letzterer allerdings nicht nach Willkür verweigern kann. Der
Kaiser muß sich 2. „über das Ergebnis dieser Inspektionen“ mit dem König von Bayern
benehmen, d. h. er kann die Abstellung wahrgenommener Mißstände nicht selbst anordnen,
sondern sie nur beim Könige anregen, welch’ letzterer verpflichtet ist, anerkannte Mängel
zu beseitigen 3).
Hinsichtlich der Kosten und Lasten des Heerwesens)) spricht Art. 58
der Reichsverfassung den Grundsatz aus, daß sie von allen Bundesstaaten und deren An-
gehörigen gleichmäßig zu tragen seien. Der Bündnisvertrag mit Bayern (Abschnitt III.
§ 5) erklärt jenen Artikel als für Bayern gültig, fügt jedoch bei, „daß derselbe für Bayern
folgenden Zusatz“ erhalte: „Der in diesem Artikel bezeichneten Verpflichtung wird von
Bayern in der Art entsprochen, daß es die Kosten und Lasten seines Kriegswesens, den
1) Ueber die Erklärung des Kriegszustandes vgl. oben S. 265. lleber die Führung bayer-
ischer Truppen durch den Kaiser im Manöver Werh. d. K. d. Abg. 1897/98 St.B. Bd. IX S. 32,
48 ff. Die Ausführungen von O. Bielefeld im Archiv f. öff. Recht XVI S. 312 ff. über die
Verletzung des bayerischen Reservatrechtes durch die Expedition nach Ostasien (1900) sind verfehlt.
2) Besondere Abmachungen sind später durch Vertrag vom 16. Juni 1874 wegen Ulm er-
folgt, welcher durch Vereinbarung vom 24/29. Sept. 1900 infolge der Einführung der Militärstraf-
gerichtsordnung teilweise abgeändert wurde. Für die Ausübung der Gerichtsbarkeit über die in
Metz, Saargemünd u. Dienze garnisonierenden bayerischen Truppen bestehen besondere Abmachungen.
Ueber das frühere bayerische Festungsreglement und Baurayonregulativ s. Weber V S. 396.
N.G. vom 21. Dez. 1871 über die Beschränkung des Grundeigentums in der Nähe von Festungen,
hiezu Art. 54 mit 52 u. 53 des Einf.G. z. B. G.B.
3) Agl. hierüber Brockhaus, das deutsche Heer und die Kontingente der Einzelstaaten,
Leipzig 16//- 140 ff. Verh. d. K. d. Abg. 1895·96 St. B. Bd. V S. 685 (Kriegsminister
Frhr. v. Asch).
4) Vgl. zum folgenden Brockhaus a. a. O. S. 137 ff.