30 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. I. Der Herrscher. 8 14.
In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten haben die Mitglieder des königlichen Hauses ihren
allgemeinen Gerichtsstand vor dem Könige 1). Nur für „Real= und vermischte Klagen“
gegen dieselben ist das Oberlandesgericht der belegenen Sache zuständig 2). Mit dieser letz=
teren Ausnahme trägt das Familienstatut dem Grundsatze des Prozeßrechtes Rechnung,
welches zur Zeit seiner Erlassung galt. Nach der bayerischen Gerichtsordnung von 1753 3)
war nämlich der Gerichtsstand der belegenen Sache ein ausschließlicher für alle Klagen,
„welche mehr auf die Sache selbst, als auf die Person gehen“. In diesen Fällen sind übri-
gens die Bestimmungen des jeweils geltenden Prozeßrechtes anwendbar. In jenen Fällen
dagegen, welche zur Entscheidung vor den König gehören, richtet sich das Verfahren, so-
weit das Familienstatut bestimmt, nach diesem, im übrigen nach der Gerichtsordnung von
1753 und den dazu ergangenen Novellen!).
Für die Mitglieder des königlichen Hauses bestehen Sondervorschriften in Bezug auf
das standesamtliche Verfahren. Zwar findet im allgemeinen das Reichsgesetz über die Be-
urkundung des Personenstandes und die Eheschließung vom 6. Februar 1875 auch auf sie
Anwendung. Doch enthält dieses Gesetz zu gunsten des Landesherrn und der Mitglieder
der landesherrlichen Familien teils Aenderungen des gemeinen Rechtes, teils Vorbehalte.
Hienach erfolgt für diese „die Ernennung der Standesbeamten und die Bestimmung über
die Art der Führung und Aufbewahrung der Standesregister durch Anordnung des Landes-
herrn“. Auch die einschlägigen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches finden nur inso-
weit in Ansehung des Königs und der Mitglieder des königlichen Hauses Anwendimg, als
nicht besondere Vorschriften der Hausverfassung oder der Landesgesetze abweichende Be-
stimmungen enthalten“ 5).
Nach den Bestimmungen, welche auf Grund dieser reichsgesetzlichen Ermächtigung
erlassen worden sind 0), ist Standesbeamter für das königliche Haus der Staatsminister des
königlichen Hauses und des Aeußeren, in dessen Verhinderung sein Stellvertreter?'). Die-
selben können sich für die Wahrnehmung eines standesamtlichen Geschäftes außerhalb der
Haupt= und Residenzstadt eines anderen öffentlichen Beamten als Vertreters bedienen.
Bei Eheschließungen im Auslande ist jene Form zu beobachten, welche das Recht des
Eheschließungsortes vorschreibt. Die Zuständigkeit des Standesbeamten des königlichen
Hauses tritt also hier nicht ein.
Nach reichsgesetzlicher Vorschrist hat auch der Standesbeamte des königlichen Hauses
—.
Das Einf.G. zur C.P.O. fügt bei: „Für vermögensrechtliche Ansprüche Dritter darf jedoch
die Zulässigkeit des Rechtsweges nicht von der Einwilligung des Landesherrn abhängig gemacht
werden." Das Einf.G. zur Militärstrafgerichtsordn. v. 1. Dez. 1898 (R.G.Bl. S. 1189 u. 1289)
enthält keinen Vorbehalt zu Gunsten der Mitglieder der landesherrlichen Familien, sie findet daher
nach Maßgabe des § 1 auf die k. Prinzen Anwendung.
Vgl. ferner bayer. Ausf.G. zum R. G. V.G. Art. 81 Abs. II, Ausf.G. z. R. St. P. O. vom
18. August 1879 (G.V.Bl. S. 781) Art. 3 Abs. II.
1) Familienstatut Tit. X § 2 Abs. I.
2) Familienstatut Tit. X § 1. Art. 36 des Ausf.G. z. R.G.V. G. In zweiter und letzter
Instanz entscheidet in solchen Fällen das Oberste Landesgericht. Nach Art. 1 des Ausf.G. zur
Grundbuchordnung vom 1. Juni 1899 sind nunmehr die Amtsgerichte in allen Fällen für die
Verrichtungen des Grundbuchamtes zuständig, also auch hinsichtlich der Grundstücke, welche im
Eigentum eines Mitgliedes des k. Hauses stehen. Für das Privatvermögen des Königs war bisher
schon das Wd*2: das zuständige Hypothekenamt (Art. 1 des Ausf.G. z. C.P.O. und K.O.).
ß)Rap. 1 §F 9.
4) Familienstatut Tit. X § 2 Abs. II.
5) Ges. vom 6. Februar 1875 § 72 Abs. I und Art. 57 des Einf.G. zum B. G. B.
6) Verordnung, die Führung der standesamtlichen Geschäfte im königlichen Hause betr.,
vom 18. Juni 1876 (G. V. Bl. S. 385).
7) Vgl. hieher die erlänternden Bemerkungen von H. von Sicherer, Personenstand und
Cheschließung in Deutschland S. 429. C. Sartorius, Kommentar zum Personenstandsgesetz,
München, 1902 S. 438.