Full text: Staatsrecht des Königreichs Bayern.

40 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. I. Der Herrscher. § 16. 
deutsche Bundesverfassung mit dem 1. Juli 1867 ins Leben trat, kam ein Verein der süd- 
deutschen Staaten unter sich nicht zu stande 1). Deren Verbindung mit dem Norden be- 
ruhte zunächst auf den zwischen ihnen und Preußen gleichzeitig mit den Friedensverträgen 
abgeschlossenen Schutz, und Trutzbündnissen. Durch Staatsvertrag vom 8. Juli 1867 
wurde sodann zwischen dem norddeutschen Bunde und den süddeutschen Staaten der Zoll- 
verein unter Umgestaltung seiner bisherigen Verfassung erneuert. 
Die Ereignisse des Jahres 1870 führten zur Gründung des Dentschen Reiches, 
welchem Bayern durch den Vertrag von Versailles vom 23. November 1870 beitrat. Der 
Vertrag und die durch denselben vereinbarte Bundesverfassung erlangten in Bayern durch 
k. Erklärung vom 30. Januar 1871 (G.-Bl. S. 149) mit rückwirkender Kraft vom 1. gl. 
Monats gesetzliche Geltung. 
Bezüglich der rechtlichen Natur des Deutschen Reiches und daher auch der Stellung 
seiner Bundesglieder weicht meine Auffassung von derjenigen ab, welche in diesem Hand- 
buche sonst und insbesondere in Laband's Staatsrecht des Deutschen Reiches vertreten 
ist. Ich verwerse den Begriff des Bundesstaates und halte das Reich für einen Staaten- 
bund staatsrechtlicher Natur :). In eine Erörterung dieser Streitfrage hier einzugehen, 
wäre nicht am Platze. Bemerkt mag übrigens werden, daß die praktisch-politische Bedeu- 
tung dieser Meinungsverschiedenheit vielfach weit überschätzt wird. Es gibt kaum eine 
staatsrechtliche Einzelfrage, bei welcher jene grundsätzliche Meinungsverschiedenheit Gleich- 
heit der Ansicht ausschlöße, wie auch umgekehrt die Meinungsgleichheit in bezug auf die 
rechtliche Natur des Reiches Meinungsverschiedenheiten in sehr wichtigen Einzelfragen 
nicht verhütet. Die Darstellung einzelner Rechtsverhältnisse ist Gegenstand des Reichs- 
staatsrechtes, hier ist nur folgendes noch hervorzuheben: 
Im Bundesrate des deutschen Reiches hat Bayern 6 Stimmen. Es hat ferner das 
Vorrecht eines ständigen Sitzes im Ausschusse für das Landheer und die Festungen und 
des Vorsitzes im Ausschusse für auswärtige Angelegenheiten, ferner des stellvertretenden 
Vorsitzes im Plenum 3). Außerdem ernennt der König den Präsidenten und die Räte des 
bayerischen Senates bei dem Reichsmilitärgerichte und einen Militäranwalt für denselben; 
er bestimmt überdies die militärischen Mitglieder dieses Senates?). 
Die Ernennung der bayerischen Bevollmächtigten und die Erteilung der Anweisungen 
an dieselben steht dem Könige zu. Da dies Regierungshandlungen des Herrschers sind, 
so ist zu ihrer gültigen Vornahme die ministerielle Gegenzeichnung oder Unterzeichnung 
erforderlich. 
Die geschäftliche Behandlung dieser Angelegenheiten steht im allgemeinen dem Staats- 
ministerium des königlichen Hauses und des Aeußern zu. Bezüglich des sachlichen Inhaltes 
der zu erteilenden Anweisung erscheinen jedoch in erster Linie diejenigen Ministerien zur 
Abgabe ihres Gutachtens berufen, in deren Geschäftskreis die Angelegenheit fällt, auf welche 
die Anweisung sich bezieht. 
— 
E 1) Vergl. hicrüber O. Frhr. von Völderndorff, Annalen des Deutschen Reichs 1890 
0 ff. 
2) Agl. von Seydel, staatesrechtliche und politische Abhandlungen, Freiburg i. B. und 
Leipzig 1893, S. 1—120 und v. Seydel, Lommentar zur Verfassungsmkunde für das Deutsche 
Reich, Freiburg i. B., 2. Aufl. 1897. J. Kittel, die bayerischen Reservatrechte, Würzburg. 
Wegen der Sonderstellung des bayerischen Heeres vgl. § 133 unten. 
3) Reichsverf. Art. 6, 8; Schlurotokol zum BPündnisvertrage mit Bavern Ziff. IX. 
4) R.G. vom 9. Mär) 1399 s 1 (N.G. Bl. S. 135) s. u. § 31 Ziff. III. Das Gesetz kann 
nur mit Bayerus Zustimmung abgeändert werden. Vgl. auch L aband, Staatsrecht 1 S. 112. 
Die Rehm'sche Darlegung über die rechtliche Natur der Reservatrechte (allg. Staatelehre S. 145) 
ist ebenso unrichtig als die Lehre Hänel's, gegen welche sich Laband, Staatsrecht 1 S. 112 
als gegen „eine Nechtfertigung des Vertragebruches“ wendet. Mit letzterem Üübereinstimmend von 
Bar in der Zeitschrift „Das Necht“ 1901 S. 483.
	        
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