Full text: Staatsrecht des Königreichs Bayern.

46 Zuweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. II. Die Gegenstände der Herrschaft. § 19. 
Haupt dem bayerischen Staate angehört und daß sie in die Adelsmatrikel eingetragen ist. 
Fehlt die zweite und damit die dritte Voraussetzung, so hat die Familie jene Vorrechte 
nicht, welche durch die Staatsangehörigkeit bedingt sind. Nach jetzigem Rechtsstande hat 
dies jedoch nur noch Bedentung für die erbliche Reichsratswürde des Familienhauptes. 
Die standesherrlichen Vorrechte sind an die betreffenden Familien und an die betreffenden 
Besitzungen gebunden. Die standesherrlichen Vorrechte erstrecken sich nicht auf die Pfalz. 
(Kgl. Entschließung vom 5. Oktober 1818, C, a.) 
Die Vorrechte der standesherrlichen Häuser sind Ehrenrechte und sachliche Rechte. 
Die Ehrenrechte beziehen sich auf die Titulatur 1) (Verf.-Beil. IV 8§§ 2, 3), ferner 
haben die Häupter standesherrlicher Familien das Recht, in den Schlössern ihres Wohn- 
sitzes eine Ehrenwache aus nicht mehr wehrpflichtigen Staatsangehörigen zu halten (§ 13). 
Einige sonstige Ehrenrechte (§§ 4, 14, 58, 61, 62) sind weggefallen oder gegenstandslos. 
geworden. 
Die sachlichen Rechte der standesherrlichen Familien sind folgende: 
Sie haben das Recht der Selbstgesetzgebung (Autonomie). (Verf.-Beil. IV S 9.) 
„Ihre nach den Grundsätzen der früheren deutschen Verfassung noch bestehenden Familien-= 
verträge (Familiengesetze) bleiben aufrecht erhalten und sie haben die Besugnis, über ihre 
Güter 2) und Familienverhältnisse verbindliche Verfügungen zu treffen.“ Solche Verfügungen 
müssen dem Könige vorgelegt werden. Einer Bestätigung durch denselben unterliegen sie 
nicht. Jedoch hat der König das Recht, sie auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen. Findet sich 
kein Anstand, so werden sie, und zwar jetzt durch das Gesetz= und Verordnungsblatt, zur 
allgemeinen Kenntnis und Nachachtung gebracht. Diese Vorlage, Prüfung und Verkündi- 
gung ist also keine leere Form. Die standesherrlichen Hausgesetze erlangen erst durch die 
landesherrliche Verkündigung Gesetzeskraft. 
Das siandesherrliche Selbstgesetzgebungsrecht besteht nur gegenüber dem Landesrechte 
nicht gegenüber dem Reichsrechte, es müßte denn ein Reichsgesetz ausdrücklich eine Aus- 
nahme machen 3). 
Die Häupter der standesherrlichen Familien haben das Recht, nichtstreitige Verlassen- 
schaftsverhandlungen, welche Mitglieder ihrer Familie betreffen, ohne Dazwischenkunft der 
Gerichte durch ihre Kanzlei erledigen zu lassen ); ferner innerhalb ihres Hauses, soferne 
sie nicht persönlich beteiligt sind 5), die Vormundschaften zu bestellen. 
1) Die vielfach übliche Bezeichnung für die Nachgeborenen standesherrlicher Hänser als 
„Prinzen“ aisst mit der Verfassung nicht vereinbar. 
2) Das Gesetz vom 15. Juni 1898 (G.V. Bl. S. 301) berührt die standesherrlichen Fidei- 
kommisse nicht. Verh. d. K. d. Abg. 1897,98 St. B. Bd. XII S. 439. 
3) Art. 58 Abs. 1 des E.G. z. B.G.V. enthält einen solchen Vorbehalt gegenüber dem B.G. B. 
hinsichtlich der Familienverhältnisse und Güter des dort bezeichneten standesherrlichen Adels. Die 
einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften sind durch Art. 1 des Anss.G. z. B.G.B. aufrecht er- 
halten. Vgl. auch Ausschußbericht der Abg. K. S. 7, Motive des Einf.-G. S. 155 ff. und Motive 
zum Cntwurf eines B.G.B. 1 S. 11 ff. Als selbstverständlich ist angenommen worden, daß soent 
dem Sonderrechte der Standesherren Schranken durch besondere Reichsgesetze gezogen sind (z. 
durch das Versonenmandsgesebh. die nach Art. 55 des Einführungegesetzes neben dem B.G. B. m 
Kraft bleiben, es hiebei sein Bewenden hat. Der Vorbehalt des „landesgesetzlich den Standes- 
herren genährten Nechtes auf Austräge“ in 8 7 des Einf. G. zum R.G.V. G. ist für Bayern 
gegenstandelos. 
4) Verf. Beil. IV. § 7, bayer. G. V.G. vom 10. November 1861 Art. 76 Abs. III. Auf- 
recht erhalten durch bayer. Ausf. Ges. zum R.G. V. G. vom 23. Februar 1879 Art. 81 Abs. I, Art. 58 
des Einf.Ges. zum B.G.B. und §& 189 des G.F.G. vom 20. Mai 1898 (N.G.Bl. S. 771). Ueber 
die besonderen Rechte des Fürsten von Thurn und Taxis siebe unten S. 47 Aum. 7. An dem 
Rechte zur Erledigung der bez. Verlassenschaften= ist durch das Gesetz vom 9. August 1902 (G. V. Bl. 
S. 463), betr. das Nachlaßwesen, nichts geändert worden. Vgl. Verh. d. K. d. NR.. 1902 Prot. 
Ad. 11 S. 306 Erklarung des Staatemmisters Frh. v. Lconrod in der Sitzung des I. Aussch. 
vom 30. Mai 19002. 
5) Ist dies der Fall, so ernennt das zuständige Oberlandesgericht den Vormund, vorbe- 
haltlich der Beschwerde zum obersten Landesgerichte. Verf. Beil. 1V 5 10 Abf. I.
	        
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