Full text: Staatsrecht des Königreichs Bayern.

48 Zumeiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. II. Die Gegenstände der Herrschaft. 8 21. 
§ 20. Das Staatsgebiet 1). Die Verfassungsurkunde (Tit. III § 1) erklärt das 
Staatsgebiet für unteilbar und unveräußerlich. Dies hat zur Folge, daß Veräußerungen 
von Staatsgebiet regelmäßig nur in der Form der Verfassungsänderung vor sich gehen 
können, wenn auch die Verfassung diese Frage übergangen hat. Zu Gebietserwerbungen 
bedarf der König der Mitwirkung des Landtags nicht. Der König ist ferner berechtigt, 
ohne solche Mitwirkung Verfügungen über das Staatsgebiet zu treffen, wenn es sich um 
Erledigung nachbarlicher Grenzstreitigkeiten und um Grenzregelungen zur Herstellung eines 
zweckmäßigen Grenzlauses handelt, soferne hiebei für etwaige Gebietsabtretungen ein an- 
derer angemessener Ersatz erlangt wird. (Verf.-Urk. Tit. III § 6 Ziff. 2.) 
Das bayerische Staatsgebiet gehört nach Art. 1 der Reichsverfassung zum deutschen 
Bundesgebiete. Gebietsveränderungen, welche zugleich das Bundesgebiet berühren, bedürfen 
daher der Zustimmung des Reiches und zwar ohne Rücksicht auf ihre größere oder ge- 
ringere Erheblichkeit. 
Das Staatsgebiet ist nach außen durch die Grenze abgeschlossen. Diese wird, soweit 
nötig, durch Hoheitszeichen kenntlich gemacht, die unter dem Schutze des Strasgesetzbuchs 
(§ 135) stehen. Die Grenzangelegenheiten gehören in den Geschäftskreis des Staatsmini- 
steriums des königlichen Hauses und des Aeußern, das sich jedoch hiebei mit dem Staats- 
ministerium des Innern zu benehmen hat 2). Den Kreisregierungen, Kammern des Innern, 
kommt die „Aufsicht auf die Landesgrenzen und die Bewahrung der landesherrlichen Ge- 
rechtsame gegen benachbarte Staaten“ zu 3). Die äußeren Behörden für diesen Zweck sind 
die Distriktsverwaltungsbehörden der Grenzbezirke, welche in dieser Eigenschaft auch als 
Landeshoheitsbehörden (Landeshoheitsbeamte) bezeichnet werden"). Denselben obliegt ins- 
besondere die Sorge für die Erhaltung der Grenzzeichen und die Grenzbegehung nach Maß- 
gabe der betreffenden einzelnen Dienstanweisungen über die Instandhaltung der Landes- 
grenzversteinung. Zur Mitwirkung dabei werden auch die Zoll= und Forstbehörden sowie 
die Feldgeschwornen herangezogen. 
§ 21. Die Fremden. Die Rechtsverhältnisse der Fremden zum Staate sind zuerst 
durch das bereits erwähnte Edikt vom 6. Jannar 1812 und alsdann durch die I. Ver- 
fassungsbeilage geregelt worden. In dieses Landesrecht hat Art. 3 der Reichsverfassung 5) 
ändernd eingegriffen, indem er den Grundsatz aufstellt, daß in einer Reihe von Beziehungen 
der Angehörige jedes Bundesstaates in jedem andern Bundesstaate wie ein Inländer zu 
behandeln sei. Der Ausdruck Ausländer ist seitdem auf jene Landesfremden beschränkt, 
welche nicht reichsangehörig sind. 
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lige Gerichtsbarkeit über die fürstliche Dienerschaft und deren Hausgenossen beseitigt worden. Vgl. 
auch Art. 106 der Uebergangsvorschriften zum B.G.B. vom 9. Juni 1899. Die in Litt. B, N. III 
der Deklaration von 1812 (vgl. IV. Beil. zur V. U. SÖ§ 7, 10) vorbehaltenen Befugnisse zur Behand- 
lung der Verlassenschaften und Vormunodschaften der Familienangehörigen durch eine fürstliche Kom- 
mission ist nicht beseitigt worden. Diese Rommission ist kein wirkliches Gericht, sie übt nur die 
Familiengewalt aus und zwar hinsichtlich der Vormundschaft unter Oberaufsicht des Justizministeriums. 
1) N. F. Fricker, Gebiet und Gebietshoheit, Tübingen 1901. G. Banoi, die Ge- 
bietshoheit als rein staatsrechtlicher Begriff durchgeführt, Königsberg 1897. Ueber die Rechtsver- 
hältnisse des Bodensees s. v. Seydel, Staatsrecht 1 S. 335, Rettich, die völkerrechtlichen 
und staatsrechtlichen Verhältnisse des Bodenseces, Tübingen 1884, F. v. Martitz, Annalen des 
Deutschen Reichs 1885 S. 278 ff., Otto Mayer in K. Frhrn. von Stengel's Wörterbuch 
des deutschen Verwaltungesrechts 1 S. 213 ffl. H. Nehm im Handwörterbuch der Staatswissen- 
schaften 11 S. 654 ff. 
2) V. O., die Formation der königlichen Ministerien betr., vom 9. Dezember 1825, N 37. 
v. Krais, Handbuch 1 S. 129 ff. 
3) V.O., die Formation 2c. der obersten Verwaltungsstellen in den Kreisen betr., vom 17. 
Dezember 1825 F 22. 
4) Agl. Weber IV S. 38. 
5) v. Sendce!, Kommentar S. 49 f. Reger, Samml. v. Entsch. III S. 61 (NReichs- 
gericht. P. Scherber, die rechtliche Stellung der Audländer in Bayern, Würzburg 1897.
	        
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