Full text: Staatsrecht des Königreichs Bayern.

50 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. III. Der Landtag. 8 22. 
Die Verfassung spricht ferner den Grundsatz der formellen Gegenseitigkeit aus, und 
zwar in der Weise, daß es zu dessen Anwendung einer besonderen gesetzlichen Ermächti- 
gung nicht bedarf. Bei der formellen Gegenseitigkeit handelt es sich nicht um die Forde- 
rung sachlicher Rechtsgleichheit zwischen Bayern und dem fremden Staate, sondern darum, 
daß der Bayer im fremden Staate nicht schlechter als der Einheimische behandelt werde. 
Die Verfassung sagt: „Werden in einem auswärtigen Staate durch Gesetze oder be- 
sondere Verfügungen entweder Fremde im allgemeinen oder bayerische Untertanen insbe- 
sondere von den Vorteilen gewisser Privatrechte ausgeschlossen, welche nach den allda gel- 
tenden Gesetzen den Einheimischen zustehen, so ist gegen die Untertanen eines solchen Staates 
derselbe Grundsatz anzuwenden.“ Die Ansübung der Wiedervergeltung kann nur durch 
den König verfügt werden. Sie endet mit Wegfall des Grundes. 
Ausländer, welche sich mit königlicher Erlaubnis im Königreiche aufhalten, genießen, 
solange jene Erlaubnis nicht zurückgenommen ist, alle bürgerlichen Privatrechte gleich den 
Staatsangehörigen. 
Die Fremden nehmen innerhalb des Staatsgebietes auch an der öffentlichen Rechts- 
ordnung insoweit teil, als nicht entweder für gewisse öffentliche Rechte und Pflichten die 
Staatsangehörigkeit Voraussetzung ist, oder, wo dies nicht der Fall, ausdrückliche Aus- 
nahmen für die Fremden gemacht sind. 
Dabei ist noch, was die nichtstaatsangehörigen Deutschen betrifft, folgendes zu bemerken. 
An den Rechten und Pflichten, welche mit der Staatsangehörigkeit verknüpft sind, 
haben sie keinen Anteil. Dagegen ist der Unterschied zwischen staatsangehörigen und nicht- 
staatsangehörigen Deutschen für eine Reihe von reichsgesetzlich geregelten Rechtsgebieten beseitigt. 
Allgemeine Grundsätze über die Stellung der Fremden im üöffentlichen Rechte lassen 
sich im übrigen nicht ausstellen 1). 
Zu erwähnen ist nur, daß ausländische Ausmärker wegen der „auf ihren Gütern haf- 
tenden Staatslasten und Verbindlichkeiten“ eine „Stellvertretung“ „aus bayerischen Unter- 
tanen anzuordnen“ haben. (Verf.-Beil. I § 15.) 
III. Kapitel. 
Der Landtag. 
§ 22. Rechtliche Stellung des Landtags. Der Landtag 2) ist eine Versammlung, 
die, in die zwei Kammern der Reichsräte und der Abgeordneten gegliedert (Verf.-Urk. Tit. I 
#§*2, Tit. VI § 1), dem Könige in den gesetzlich vorgesehenen Fällen bei Ausübung der 
Staatsgewalt zur Seite steht. 
Der Landtag ist kein „Staatsorgan“ neben dem Könige, sondern unter dem Könige. 
Er verhandelt mit dem Könige nicht auf dem Fuße einer gleichberechtigten Partei, nicht in 
den Formen des Vertrages, sondern er erfüllt staatsrechtliche Obliegenheiten in dem Maße 
und in der Weise, wie sie die vom Könige ausgehende Rechtsordnung ihm übertragen hat. 
Der Landtag wird durch Willensakt des Königs in Tätigkeit und außer Tätigkeit gesetzt 
(Verf.-Urk. Tit. VII § 22.) Auch dem Landtage gegenüber ist der König Herrscher. 
Der Landtag besitzt keine Herrschergewalt, nicht einmal eine Amtsgewalt 3) gegenüber 
— — — — — 
1) Vgl. Art. 60 Abs. 2 des Ausf.G. z. B.G. B. (Haftpflicht des Staates 2c. für Beamte 
gegenüber Ansländern), ferner Art. 7—30 d. Einf.G. z. B.G.B. über das Personalstatut der Aus- 
länder, das auch in öffentlich-rechtlicher Beziehung von Bedentung ist. 
2) Die Verfassung hat den Ausdruck „Ständeversammlung“, der jedoch, seitdem die Kammer 
der Abgeordneten im Jahre 1848 eine veränderte Zusammensetzung erhalten hat, nicht mehr ge- 
braucht wird. — v. Seydel, Staatsrecht 1 S. 348 ff., staatsrechtliche und politische Abhand- 
lungen, Freiburg 1893, S. 121 ff. 
3) Vgl. Geschäftsgang-Ges. vom 19. Jannar 1872 Art. 33 Abs. IV.
	        
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