8 22. Rechtliche Stellung des Landtags. 53
stände in Beratung treten!), die in ihren Wirkungskreis gehören, welcher in S§8 2—19
näher bezeichnet ist"“.
Hieraus erhellt also, daß nach der Absicht der Verfassung der Umfang des Petitions-
rechtes des Landtages mit dem Umfange seines Wirkungskreises sich decken soll. Inner-
halb dieser Grenzen aber hat der Landtag ein Recht auf Entgegennahme seiner Wünsche
und Anträge, ein Recht, darauf Bescheid zu erhalten ?).
Ueber die Grenzen des Petitionsrechtes im einzelnen hat sich vielfacher Streit ergeben.
Bezüglich der Gesetzgebung kann nach dem Wortlaute des § 19 nicht bezweiselt
werden, daß auch das Recht der Gesetzesinitiative dem Landtage zukommt, soweit
es nicht durch anderweitige Verfassungsbestimmungen ausgeschlossen ist. Art. 1 des Ge-
setzes über die ständische Initiative vom 4. Juni 1848 hat dies bestätigt.
Die Verfassung sagt in Tit. X §7 weiter: „Abänderungen in den Bestimmungen
der Verfassungsurkunde oder Zusätze zu derselben können ohne Zustimmung der Stände
nicht geschehen. Die Vorschläge hiezu gehen allein vom Könige aus, und nur wenn der-
selbe sie an die Stände gebracht hat, dürfen diese darüber beraten“.
Diese Vorschriften gelten nicht mehr in vollem Umfange. Durch das Gesetz über
die ständische Initiative vom 4. Juni 1848 (G.-Bl. S. 61) ist hinsichtlich eines Teiles des
Verfassungsrechtes dem Landtage das Recht der Initiative eingeräumt worden. Darauf
ist unten zurückzukommen.
Die Streitfrage, welche gegenüber Tit. X § 7 der Verf.-Urk. sich erhoben hat, ob
hiedurch nur das Initiativrecht oder ob auch das einfache Petitionsrecht der Kammern aus-
geschlossen sei, ist in ihrem Wesen durch das Initiativgesetz nicht beseitigt worden. Sie ist
nur auf einen engeren Raum beschränkt, indem sie lediglich für jene Teile des Verfassungs=
rechtes fortbesteht, bei welchem die Kammern auch jetzt kein Initiativrecht haben. Der
Streit ist so alt wie die Verfassung selbst und keiner der dabei beteiligten Faktoren hat sich
von Widersprüchen frei gehalten. Indessen ist die neuere Haltung der Staatsregierung der
Anerkennung des einfachen Petitionsrechts auch hinsichtlich der Verfassungsgesetzgebung
güustig. Dies entspricht auch m. E. dem Wortlaute und Sinne der Verfassung.
Das Initiativrecht in Verfassungsangelegenheiten ist durch das Gesetz vom 4. Juni
1848 den Kammern in beschränkter Weise eingeräumt worden. Sie haben dasselbe hin-
sichtlich der Tit. IV, VII, VIII und T §§ 1—6 der Verfassungsurkunde „und der hierauf
Bezug nehmenden Verfassungsbeilagen und Gesetze“. Was den Tit. VI der Verfassungs-
urkunde anlangt, so steht jeder Kammer das Initiativrecht nur bezüglich jener Bestimmungen
des Titels zu, welche sie selbst angehen.
Hat der Landtag die Initiative zu einem Verfassungsgesetze ergriffen, so bleibt dem
Könige vorbehalten, seine Entschließung darüber auf ein Jahr zu vertagen. Dieses Jahr
wird von demjenigen Zeitpunkte zu rechnen sein, mit welchem der Regel nach die Land-
tagsbeschlüsse spätestens zu bescheiden sind, also vom Erlasse des Landtagsabschiedes an.
Auch die ablehnende königliche Entschließung ist zu verkünden.
Ist infolge der Initiative des Landtages ein Verfassungsgesetz erlassen worden, so
darf die Initiative von den Kammern vor Ablauf von zwölf Jahren nicht wieder aus-
geübt werden. Diese Frist ist vom Zeitpunkte der Verkündigung des betreffenden Gesetzes
zu rechnen.
—..
1) Der Sinn dieser Worte ist natürlich nicht der, daß in den Kammern über Gegenstände,
die nicht zu deren Wirkungskreis gehören, gar nicht gesprochen werden dürfe, sondern nnr,
daß solche Gegenstände nicht zur Beratung gestellt werden dürfen. Der Unterschied von Be-
sprechung und Beratung tritt bei Vergleich der Grenzen des Antrags= und des Interpellations-
rechts besonders scharf zu Tage. Die „Besprechung" einer Intervellation führt zu keinem Be-
schlusse, wohl aber die Beratung eines Antrags. v. Seydel, Staatsrecht 1 S. 356 ff.
2) Geschäftsgangs-Ges. Art. 40.