Full text: Staatsrecht des Königreichs Bayern.

8 24. Die Kammer der Abgcordneten. 59 
Die Wahlen zur Abgcordnetenkammer sind mittelbare. Das Wahlrecht ist streng per- 
sönlich. Es kann nur von dem persönlich anwesenden Wahlberechtigten und nicht durch 
Stellvertretung ausgeübt werden (Wahlges. Art. 4). Es kann nicht Gegenstand eines 
Rechtsgeschäfts sein. Bestechung ist strafbar (R.-St.-G.-B. 8 109) und bewirkt Un- 
giltigkeit der Wahl, soweit sie den Bestechenden und den Bestochenen betrifft (Wahlgesetz 
Art. 32). 
Voraussetzungen der Urwahlfähigkeit sind: Staatsangehörigkeit, männliches 
Geschlecht, gesetzliche Volljährigkeit 2), Entrichtung direkter Staatssteuern seit mindestens sechs 
Monaten. Maßgebender Zeitpunkt ist der Anfangstag der öffentlichen Auslegung der 
Wählerlisten (Wahlgesetz Art. 5). 
Von der Urwahlsähigkeit sind ausgeschlossen: 
1. nach Reichsrecht (Mil.-Ges. § 49) Personen des Soldatenstandes des Heeresy, so- 
lange sie sich bei der Fahne befinden; 
dann nach Landesrecht (Wahlgesetz Art. 5 in der Fassung des Ausführungsgesetzes 
zum B.-G.-B. Art. 140) 
2. Personen, welche entmündigt oder nach § 1906 des B.-G.-B. unter vorläufige 
Vormundschaft gestellt sind, 
3. Personen, über deren Vermögen das Konkursverfahren gerichtlich erklärt ist, wäh- 
rend der Dauer dieses Verfahrens, 
4. Personen, die nach dem Armengesetze vom 29. April 1869 öffentliche Armen- 
unterstützung beziehen oder innerhalb eines Jahres vor öffentlicher Auslegung der Wähler- 
liste bezogen haben, 
5. Personen, denen die bürgerlichen Ehrenrechte fehlen. 
Zur Urwahlberechtigung ist außer der Wahlfähigkeit nötig: nachgewiesene 
Ableistung des Verfassungseides und Wohnsitz im Staatsgebiete; zur Geltendmachung des 
Rechtes Eintrag in die gemeindliche Wählerliste (Wahlges. Art. 4, 5, 6). 
Das Wahlrecht besteht nur für den Wahlbezirk oder die Wahlbezirke der Wohnsitz- 
gemeinde. Maßgebend ist der Wohnsitz am Tage der Wahl. Bei einer Mehrheit von 
Wohnsitzen ist das Wahlrecht alternativ (Wahlges. Art. 5, 8). 
Die Wählbarkeit zum Wahlmanne erfordert Besitz der Urwahlfähigkeit 
und Urwahlberechtigung, Vollendung des 25. Lebensjahres und Eintrag in die Wählerliste, 
(Wahlges. Art. 10)0. Der Wahlmann kann die Wahl nicht ablehnen (Wahlges. Art. 21 
Abs. II, 35 Abs. IV). Abgesehen von Wahlvernichtung und Verlust der Wählbarkeit 
(Wahlges. Art. 13) behält er seine Eigenschaft bis zum Ablanfe der Wahlperiode oder Auf- 
lösung der Kammer. Der Wahlmann hat vor der Wahl den gesetzlich vorgeschriebenen 
Eid zu leisten (Wahlges. Art. 23 u. 4). 
Die Wählbarkeit zum Abgeordneten erfordert Besitz der bayerischen 
Staatsangehörigkeit, vollendetes 30. Lebensjahr und Entrichtung einer direkten Staats- 
stener. Die Gründe, welche von der Urwahlfähigkeit ausschließen, schließen auch von der 
Wählbarkeit zum Abgeordneten aus, jene Ausschlußgründe ausgenommen, welche von dem 
Wahlgesetzes ist in Vorbereitung, val. Jerh. d. K. der Abg. 1902 Beil. N. 793; (Gesamtbeschluß 
des Landtages); auch v. Seydel, Bl. f. adm. Pr. 48 S. 209 ff., 226 ff. Handausgaben des 
Gesetzes von J. Henle (Anebach) und Müller- Kraf- eisen (München) 1899, letzterer auch 
in den Bl. f. adm. Pr. Md. 51 S. 333, Bd. 52 S. 65. Vollz. Vorschr. vom 2. April 1881 
(Weber XV S. 31), teilweise geändert durch M.E. vom 14. April 1899 (Weber XXVII 
S. 30); vgl. auch V. O. vom 3. Juli 1902 (G. V. Bl. S. 229) über die Gewährung von 
50 kgr Freigepäck. 
1) Vgl. Standin ger a. a. O. S. 36 ff., übereinstimmend hinsichtlich der venia aetatis 
Krazeisen a. a. O. S. 37, dagegen Henle a. u. O. S. 18. 
5 Die Angehörigen der Gendarmerie (mit Ansnahme der Offizierc) und der Münchener 
Schutzmannschaft sind wahlfähig.
	        
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