72 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. IV. Die Staatsbehörden. g 28.
formell kein Gesetz. Daraus ergibt sich zunächst, daß die Lehre von einer „Organisation
durch das Budget“, wie im allgemeinen, so für das bayerische Staatsrecht insbesondere
keinen Boden hat.
Dagegen erzeugt der Umstand, daß durch die Steuerbewilligung auf Grund verein—
barten Budgets alle Staatseinnahmen auf bestimmte Staatsausgaben zugewiesen sind, eine
Beschränkung des Organisationsrechtes dann, wenn eine beabsichtigte neue Einrichtung
Geldmittel erheischt. Da die vorhandenen Mittel durch das Budget vergeben sind, so kann
in solchem Falle das Organisationsrecht der Krone erst dann geübt werden, wenn durch
Bereitstellung der erforderlichen Mittel im Budget die finanzielle Grundlage hiefür gegeben
ist. Der Landtag muß aber die Mittel für alle diejenigen Einrichtungen bewilligen, deren Be-
stand nach den Gesetzen notwendig ist, ferner für alle diejenigen, deren dauernde Notwen-
digkeit zwischen Landtag und Staatsregierung einmal anerkannt worden ist, beides inso-
lange, als nicht das Gesetz geändert oder die Zulässigkeit der Beseitigung einer Einrichtung
von der Staatsregierung zugestanden ist.
Es hängt von dem Maße der Gliederung des Budgets ab, wie weit die Gebunden-
heit der Staatsregierung in organisatorischer Beziehung reicht.
Der König erläßt seine Anordungen über die Einrichtung der Staatsbehörden nach
Vernehmung des Staatsrates 1).
§ 29. Der Staatsrat ). Der Staatsrat ist, da die Verfassungsurkunde mehrfach
auf denselben Bezug nimmt, eine gesetzlich notwendige Stelle. Von seinen beratenden und
erkennenden Zuständigkeiten haben sich die letzteren im Laufe der Zeit mehr und mehr ver-
mindert. Den Abschluß dieser Entwickelung bildet das Gesetz vom 8. Angust 1878 über
die Verwaltungsrechtspflege, durch welches der Staatsrat als oberste Instanz in Verwal-
tungsrechtssachen völlig beseitigt wurde. Auch im übrigen fällt die Bedeutung des Staats-
rats gegenüber den verantwortlichen Ministern nicht sehr ins Gewicht. Einrichtung und
Geschäftsgang des Staatsrates sind nunmehr durch die k. Verordnung vom 3. August 1879
(G. V. Bl. S. 737) geregelt.
Der Staatsrat besteht aus dem Kronprinzen, sobald derselbe volljährig ist, den Mi-
nistern und besonders ernannten Staatsräten im ordentlichen Dienste. Letztere sollen an
Zahl den Ministern mindestens gleich kommen und erhalten als Staatsräte keine Besoldung,
soferne sie nicht älterer Ernennung sind.
Der Staatsrat kann durch außerordentliche Mitglieder verstärkt werden. Als solche
können die nachgeborenen volljährigen Prinzen der königlichen direkten Linie, Staatsräte
im außerordentlichen Dienste und andere königliche Staatsbeamte berufen werden (Ver-
ordnung 8§§5 2, 3).
Der Staatsrat ist die oberste beratende Stelle, in und mit welcher der König die
wichtigeren Staatsangelegenheiten in Erwägung zieht. An der Verwaltung hat der Staats-
rat keinen Anteil (Verordnung § 1).
Der beratende Wirkungskreis des Staatsrates erstreckt sich nach verfassungsmäßiger
Bestimmung (Tit. VII § 30) auf die Gesetzgebung. Die Verfassung läßt es offen, in
welchem Stadium der Feststellung des Gesetzesinhaltes der Staatsrat vernommen werden
will. Die Verordnung (§ 7) überweist der Beratung des Staatsrates sowohl die Gesetz-
entwürfe, die dem Landtage vorzulegen sind, als auch die Gesamtbeschlüsse der Kammern
über Gesetzentwürfe. Der Staatsrat berät ferner über das Budget. Seiner Begutachtung
unterliegen die Wünsche und Anträge, die durch Gesamtbeschluß der Kammern an den
König gebracht werden. Er ist außerdem über die Einrichtung der Staatsbehörden sowie
1) V.O., den Staatsrat betr., vom 3. August 1879 §. 7.
2) v. Seydel, Staatsrecht 1 S. 495 ff.