Full text: Staatsrecht des Königreichs Bayern.

76 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. IV. Die Staatsbehörden. 8 30. 
aber er ist, wenn er es bleibt, verpflichtet, dem Könige zu gehorchen. Aus dieser Stellung 
des Ministers zum Könige ergeben sich für das Verhältnis des Ministers zum Landtage 
wichtige Folgerungen. 
Der Minister ist lediglich Regierungsorgan des Königs, er ist kein Organ des 
Landtags 1). Die Lehre von der parlamentarischen Regierung in dem Sinne, daß die 
königlichen Minister der Kammermehrheit genehm sein oder die Regierung nach deren An- 
sichten führen müßten, hat keinerlei staatsrechtlichen Anhalt. Die Minister haben bei ihrer 
Tätigkeit ihre Amtspflichten, also insbesondere die Gesetze des Staates, zu beobachten; im 
übrigen ist dieselbe lediglich vom Willen des Königs, nicht vom Willen des Landtags 
abhängig. 
Hiemit im Einklange bestimmt das Gesetz über die Ministerverantwortlichkeit (Ar- 
tikel 1X): „Ein Staatsminister oder dessen Stellvertreter, der durch Handlungen oder 
Unterlassungen die Staatsgesetze verletzt, ist den Ständen des Reiches verantwortlich". 
Der Minister haftet also den Kammern nur wegen Verletzung der Staatsgesetze (auch der 
Reichsgesetze), nicht wegen sonstiger Verletzungen seiner Amtspflicht. Wegen der letzteren 
ist er nur seinem Dienstherrn Rechenschaft schuldig. Sein Dienstherr aber ist nicht der 
Landtag, sondern der König. Noch weniger kann natürlich den Minister eine Verantwor- 
tung dafür treffen, daß er innerhalb der gesetzlichen Grenzen der Verwaltung den Willen 
des Königs vollzogen hat. 
In dem angegebenen Umkreise hat die besondere Verantwortlichkeit der Minister fol- 
genden Umfang. 
Die Verantwortlichkeit des Ministers besteht nicht bloß da, wo derselbe eine Ver- 
fügung gegengezeichnet oder unterzeichnet hat. Die Unterschrift des Ministers ist nur eine 
unter Umständen notwendige Form für die staatsrechtliche Gültigkeit der Verfügung, aber 
nicht für die Begründung der Verantwortung. In letzterer Beziehung bildet sie lediglich 
ein Beweismittel für die Mitwirkung oder die selbständige Tätigkeit des Ministers. Diese 
letztere aber, gleichviel in welcher Weise sie sich geäußert hat, ist für die Verantwortung 
das Entscheidende. 
Die Ministerverantwortlichkeit, wenn einmal begründet, bleibt für den Minister oder 
Ministerverweser auch nach dem Rücktritte von der Leitung des Ministeriums bestehen. 
Dagegen kann sie, wie die dienstliche Verantwortlichkeit der Staatsdiener überhaupt, nicht 
mehr geltend gemacht werden, wenn der gewesene Minister aus dem Staatsdienste ausge- 
schieden ist. 
Die Ministerverantwortlichkeit ist nach bayerischem Staatsrechte zweifellos dienst- 
rechtlicher Natur. Dies erhellt insbesondere aus Art. XIII des Gesetzes, welcher sagt, 
daß durch das Verfahren vor dem Staatsgerichtshofe „die zuständige Wirksamkeit der or- 
dentlichen Strafgerichte bezüglich der etwa konkurrierenden gemeinen oder Amts-Verbrechen 
oder Vergehen“ „nicht ausgeschlossen“ wird. 
Das Recht der Ministeranklage steht dem Landtage als solchem, nicht jeder Kammer 
für sich zu. Ueber das Verfahren schreibt das Gesetz vom 30. März 1850 im wesent- 
lichen Folgendes vor. 
Finden sich die Kammern veranlaßt, gegen einen Minister oder Minister-Stellver- 
treter Anklage zu erheben, so sind die Anklagepunkte bestimmt zu bezeichnen und in jeder 
Kammer durch einen besonderen Ausschuß zu prüfen. Diese Ausschüsse sind hiebei er- 
mächtigt, mündliche oder schriftliche Gutachten von Sachverständigen zu erholen, die Ver- 
–—... 
1) Der Antrag Grillenberger „der Staatsregierung den entschiedensten Tadel auszusprechen“ 
war staatsrechtlich widersinnig. Die Kammer kam auch zu dem Beschlusse (K. d. Abg. St. B. 1895/96 
Bd. V S. 169 ff.), den Antrag „für nicht begründet und ihre Kompetenz, über deuselben zu beraten 
und Beschluß zu fassen, für nicht begründet“ zu erachten. 
 
	        
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