42 Hans Ubersberger
liberalen Flügel der Panslawisten angehört, deutete nach einem Be-
suche bei Grey von London aus in seiner Wochenschrift an, daß Eng-
land bereit sei, an der Seite Rußlands zu fechten. Der Kricg bedeute für
England (d. h. für die englische Regierung) einen Ausweg aus den
inneren Schwicrigkeiten der Homernlefrage. Ein Sieg der Flotte unter
der liberalen Regierung würde für lange Zeit ihre Stellung sichern.
„Sie wissen das, aber mit der den Engländern eigentüm-
lichen Heuchelei sprechen sie davon nur im freundschaft-
lichen Verkehr, daß es niemand bemerke, nicht so, wie
naive Leute in der Art des Herrn Sazonov cs wünschen
möchten, daß sieihm alles auf dem Papieroffiziellmit Un-
terschriften und Siegeln entgegentragen. Und ist esnicht
seltsam zu denken, daß Europa wegen der irländischen
Fragc in 1½5bis 2 Monateneinem allgemeinen Kriegent-
gegengehbt.“se) So geschrieben am 28. März 1913, drei Monate vor
dem Attentate in Serajevo. Daß Rußland nach dieser Zusicherung eng-
lischer Mithilfe schon mit Rücksicht auf die inneren, einer Revolution zu-
treibenden Schwierigkeiten, wie dies ja auch Miljukov bestätigt hat, zum
Losschlagen drängte, ist verständlich. Daß Rußlands offizielle Kreise
Mitwisser des geplanten Attentates auf den österreichischen Thronfolger
waren, läßt sich heute nicht strikte beweisen. Aber es gibt viele Anzcichen,
daß Rußlands leitende Männer dieses Ereignis nicht unvorbereitet ge-
troffen hat. Österreich-Ungarn sollte dadurch in eine kritische Lage ge-
bracht werden und außerdem entweder zum Kriege gegen Serbien getrie-
ben werden oder, wenn es zurückwich, an der allgemeinen Verachtung der
ganzen Welt zusammenbrechen. Die Haltung der serbischen Regierung
und der serbischen Presse gleich nach dem Attentate zeigt, daß Rußland
Serbien über die möglichen Folgen dieses ruchlosen Verbrechens beru-
higt hat. Da nnn Österreich-Ungarn nach zu großem Langmut endlich sich
entschloß, cinmal fest zuzugreifen und der serbischen Wühlarbeit auf
dem Boden der Monarchie mit den Waffen in der and Einhalt zu ge-
bicten, war der für Rußland schon lang herbeigesehnte Kriegsvorwand
gegeben. Sein Ziel war allerdings nicht der Schutz Serbiens, sondern
dic Zertrümmerung der Monarchice und die Schwächung und Demüti-
gung Deutschlands. Aur galt es rasch zu handeln, um nicht die günstige
Gelegenheit wieder zu versäumen. England und Frankreich durfte keine
zu lange Aberlegungsfrist gewährt und keine Möglichkeit zu einer Lo-
kalisierung des Streites und diplomatischer Austragung gegeben wer-
32) Novoje Zvéno 1913, Nr. 13, S. 107.