Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

300 II. 6. Süddeutsche Verfassungskämpfe. 
in der Stiftung gemeinnütziger Anstalten, in der Pflege des Wohlstandes 
und der Bildung betätigen, sondern allein in höfischem Prunk und ge- 
legentlichen Gewaltstreichen. Die üppigen Schlösser des kleinen Hauses 
Württemberg wetteiferten mit den Prachtbauten der polnischen Auguste, 
wie der Hohentwiel und der Hohenasperg mit den Kerkern des König- 
steins; die alte Landeshauptstadt verarmte, weil es der Dirne Eberhard 
Ludwigs, der Gräfin Grävenitz beliebt hatte, drei Stunden von dem lieb- 
lichen Talkessel des Nesenbachs ein Trutz-Stuttgart zu erbauen, das 
öde Ludwigsburg, die pomphafteste und häßlichste unter den zahlreichen 
künstlichen Residenzstädten Süddeutschlands. Unwürdige Günstlinge, der 
Jude Süß, Wittleder und Montmartin trieben ihr gieriges Unwesen am 
Hofe. Der ungeheure Wildstand der herzoglichen Forsten verwüstete die 
Felder des dichtbevölkerten, gesegneten Gaues; denn der Herzog war nur 
der Grundherr seines Kammergutes, was kümmerten ihn Wohl und Wehe 
des „Landes“, dessen Abgaben in die Truhe des ständischen Ausschusses 
flossen? 
Unter solchen Erfahrungen entstand im württembergischen Volke 
jene eigentümliche, aus dynastischer Anhänglichkeit und grollendem Miß- 
trauen gemischte Staatsgesinnung, deren Spuren noch heute nicht ver- 
schwunden sind. Wie oft hatte dies Land in schwerer Kriegsnot dem 
flüchtigen Herzog unerschütterliche Treue bewährt; zahllose Gesänge verherr- 
lichten den Ruhm des alten Fürstenhauses und das Wappenschild mit 
den Hirschhörnern, von jenen Volksliedern an, welche einst dem ver- 
bannten wilden Ulrich zuriefen: „du bist der recht natürlich Herr übers 
württembergische Land“, bis herab zu dem echt schwäbischen Gedichte des 
jungen Schiller, das „Euch dort außen in der Welt“ drohend aufforderte, 
vor dem Ruhme Eberhard des Greiners die Nasen einzuspannen. Dabei 
hallte das Land doch beständig wider von berechtigten und unberechtigten 
Klagen gegen den Hof, und allgemein herrschte die Ansicht, daß die schwä- 
bische Freiheit nur dann bestehen könne, wenn der Herzog wie ein gefähr- 
liches Raubtier sorgsam im Käfig bewacht würde. Auf dem festen Grunde 
der Wehrpflicht und der Steuerpflicht erhob sich in Preußen der moderne 
deutsche Staat. In Württemberg aber bestand noch ungebrochen die 
Staatsgesinnung des Mittelalters; alle Abgaben wurden nur als außer- 
ordentliche Lasten für Zeiten der Not betrachtet und die Befreiung vom 
Waffendienste galt als das kostbarste aller Landesprivilegien. Der un- 
kriegerische Sinn, der dem Stilleben des altständischen deutschen Staates 
überall eigen war, trat kaum irgendwo unbefangener auf als unter den 
friedlichen Prälaten und Bürgermeistern des Stuttgarter Landtags. Mit 
zäher Beharrlichkeit verhinderten die Stände die Bildung einer stehenden 
Truppenmacht, so daß schon der geduldige Herzog Christoph klagte: „soll 
ei Land ein Fürstentum sein, so gehört dazu wie einen Fürsten mich 
zu halten.“
	        
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