Die Einkommensteuer. 629
Der Versuch war ehrlich gemeint und fand die königliche Genehmigung.
Die Regierung schlug dem Landtage die Aufhebung der Mahl= und Schlacht-
steuer vor; zum Ersatze sollte die Klassensteuer für die ärmeren Stände
auch in den Städten eingeführt, jedes Einkommen über 400 Tlr. aber
mit einer sehr mäßigen Steuer — das fundierte mit 3, alles andere
Einkommen mit 2 Proz. — belastet werden. Doch alsbald ergab sich,
daß der zukunftsreiche Gedanke der Einkommensteuer, obwohl ihn die
Presse so oft besprochen hatte, noch keineswegs zur allgemeinen Aner-
kennung gelangt war. Vincke, Beckerath, Schwerin und mehrere andere
Liberale erklärten sich dawider. Viele der Grundherren scheuten eine neue
Belastung, die ihnen ohne jeden Entgelt zugemutet wurde; sie klagten
nicht mit Unrecht, die Gesetzgebung der letzten Jahrzehnte sei zumeist dem
beweglichen Kapital zu gute gekommen. Vornehmlich aber fürchtete man
den fiskalischen Spürsinn, die Aufdeckung der wirtschaftlichen Verhältnisse
jedes Haushalts; war doch auch in England die Einkommensteuer höchst
unbeliebt, weil niemand gern die Behörden in seine Rechnungsbücher
blicken ließ. Der beste politische Kopf der rheinischen Liberalen, Ludolf
Camphausen, ein hoch aufgerichteter hagerer Mann mit scharfen Zügen
und strengen großen Augen, verteidigte zwar die Vorschläge der Regierung
in einer gedankenvollen Rede, und es war ein Zeichen der Zeit, wie
unbefangen dieser reiche kölnische Kaufherr, der in der Zollpolitik ganz
freihändlerisch dachte, den gesunden Kern der neuen sozialistischen Lehren
würdigte. Er gestand — was die englische Manchesterschule durchaus
nicht zugab — daß der Mensch, der lebe, auch das Recht habe zu leben,
und die Gesellschaft dies Recht in weiterem Umfange als bisher aner-
kennen müsse; er verlangte die Einkommensteuer, damit die kleinen Leute
entlastet, die Wohlhabenden durch die Selbsteinschätzung fühlbar an ihre
sozialen und politischen Pflichten erinnert würden. Die Mehrheit ließ
sich jedoch nicht überzeugen; der Landtag begnügte sich mit der unbe-
stimmten Bitte, die Regierung möge auf eine Erleichterung der Abgaben
der ärmsten Klassen hinwirken.
Heftigeren Streit erregte das neue Judengesetz. Obgleich Friedrich
Wilhelm die Juden so wenig liebte und durch Jacobys Königsberger Ge-
nossen unaufhörlich gereizt wurde, so hielt er doch für Königspflicht, auch
ihnen gerecht zu werden. Er beschloß, das milde Hardenbergische Juden-
gesetzvom Jahre 1812, das bisher nur in den alten Provinzen bestand, von
den übrigen Provinziallandtagen aber als allzu liberal zurückgewiesen
worden war,') mit einigen Abänderungen in dem gesamten Staatsge-
biete einzuführen. Leider verleitete ihn seine Vorliebe für ständische Glie-
derung dabei zu einem Mißgriff: er dachte die Judenschaften als Kor-
porationen abzuschließen, was doch rein unmöglich war, da gerade die
*) S. o. III. 378.