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achtung. Und immer galt es dabei den lokalen Verhältnissen Rech-
nung zu tragen. Versuchsweise Massregeln, oft rein interimistische
Bestimmungen waren eher geeignet das Richtige zu treffen, als
detaillirte Gesetze. Dem diskretionären Ermessen des Beamten
musste mit Rücksicht auf die Schwierigkeit der Beurteilung der
mannigfaltigen lokalen Verhältnisse weiterer Spielraum gelassen
werden. Je festere Grenzen der inneren Ausgestaltung gezogen
wurden, um so einseitiger musste die Entwickelung der Kolonieen
vor sich gehen, um so gefährlicher musste ein erklärlicherweise
leicht getaner Missgriff dem Aufblühen des Landes werden. So
sehen wir allerorts bei der Festlegung der rechtlichen Verhältnisse
in den Schutzgebieten ein schrittweises, zuweilen tastendes Vor-
gehen, allmähliche Einführung europäischer Rechtsinstitute, oft ein
wohlerwogenes Beharren bei, unserem Rechtsgefühl prinzipiell wider-
streitenden lokalen Einrichtungen, die gegenüber den, mit einem
radikalen Vorgehen notwendigerweise verbundenen, sicher zu er-
wartenden Rückschlägen als das kleinere Uebel erschienen !). Die
ganze innere Angliederung war und ist eine stufenweise. Immer
wird Rücksicht auf die eingeborene Bevölkerung genommen, anderer-
seits aber darnach gestrebt die Interessen der Nationalen zu wahren,
die Länder aber vor allem deutscher Kultur zu gewinnen.
Folgeweise wurde in den Schutzgebieten ein stetes Schwer-
gewicht auf die Unterscheidung der Klassen der Bevölkerung
gelegt. Mit einer Unterscheidung nach Reichsangehörigen oder
Nichtreichsangehörigen ist es hier nicht getan. Die Differenzie-
rung der Bevölkerung geht notwendig weiter, muss eine grössere
sein als im Deutschen Reiche im engeren Sinne und war es, ohne
dass die Reichsgesetzgebung tätig wurde, allein durch die Tatsache
des völkerrechtlichen Erwerbes. Aber auch gesetzlich musste be-
züglich der Voraussetzungen für den Erwerb oder Verlust der
Staatsangehörigkeit als solcher eine Aenderung eintreten. Der
Staat arbeitet an der Normierung seines Angehörigenbestandes?).
In Zeiten relativer Einfachheit und Einheit der Lebensbedingungen
und unentwickelter Verkehrsverhältnisse, Zeiten, denen ein abso-
1) KÖBNER bei HOLTZENDORFF: S. 1078 „Das grosse Problem aller kolo-
nialen Rechtspolitik liegt darin, nicht nur eine äusserliche Vereinigung, son-
dern einen inneren Ausgleich zu finden zwischen der modernen Rechtsrege-
lung, deren die weissen Kolonisten bedürfen, und den altangestammten ein-
heimischen Rechtsanschauungen.*“
2) O. MAYER Arch. Ill. S. 47.