Full text: Die Staatsangehörigkeit in den Kolonien

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Für jedes zugehörige Gebiet besteht nur eine volle Staats- 
gewalt. Diese Staatsgewalt erscheint aber gesondert in Reichs- 
gewalt und Gliedstaatsgewalt. Beide sind gleicher Natur als 
Staatsgewalt, wie die gesetzgebende und vollziehende Gewalt im 
Einzelstaat. Jede ıst ihrerseits wieder in gesetzgebende und voll- 
ziehende Gewalt geschieden. Die letztere Ausscheidung wird durch 
die Reichsverfassung für die Reichsgewalt, durch die einzelnen 
Landesverfassungen für die Gliedstaatsgewalten gemacht. Die 
entsprechende Scheidung zwischen Reichsgewalt und Grliedstaats- 
gewalten bestimmt die Reichsverfassung allein“ !). Der Verfassung 
nach ist die Reichsgewalt die stärkere, bindet sie die Gliedstaats- 
gew alt, jedoch nicht im Sinne einer Befellsgewalt gegenüber einem 
Untertanen?). Einer Gewalt, an der der souveräne Gliedstaat 
teil hat, kann er nicht untertan sein. Die Reichsgewalt ist der 
Gliedstaatsgewalt nebengeordnet. Nur in einem Einheitsstaate 
gibt es eine „Gehorsanspflicht gegen die Reichsgewalt, welche 
derjenigen der Untertanen analog ist“). 
III. Ueber ein Gebiet und das zugehörige Volk kann nur 
eine volle Staatsgewalt herrschen. In den Gebieten, in denen 
eine Gewaltentrennung im oben erörterten Sinne besteht, muss 
also die Angehörigkeit, da es sich um zwei Gewalten handelt, 
notwendig eine doppelte sein. Da die Gewalten aber einander 
nebengeordnet sind, ist das Angehörigkeitsverhältnis zu jeder not- 
wendig ein unmittelbares. Die Angehörigkeit zum Reiche aber 
wie die zum Gliedstaat bilden zusammen eine Einheit, sie sind 
also insofern untrennbar miteinander verknüpft‘). Daraus ergibt 
sich weiter, dass die Struktur des Bundesstaates eine Unter- 
scheidung von primärem und sekundärem Angehörigkeitsverhältnis 
prinzipiell gerade nicht zulässt°); mag auch „historisch und nach 
dem positiven Recht“ die Gliedstaatsangehörigkeit das Primäre 
  
1) O. MayvEr: II S. 464 fl. 
2) OÖ. MAyEr:n.a. O. II. S. 466 erklürt für den Full einer Auflehnung 
der einen Gewalt gegen die andere: „Dann ist es nicht der Ungehorsam des 
Untertanen, den die Staatsgewalt zu brechen hat, sondern ein Verfassungs- 
konfli kt liegt vor.*— AA. JELLINEK: Staatenverbindungen S. 57, der von einem 
„bedi ngungslosen Eintritt* der Gliedstauten in den Bundesstaat redet. 
3) LABaAnD: 1. S. 102. 
4) Ebenso MEYER-ANSCHUTZ: S. 215; v. RÖNNE: Deutsches StR. I. S. 100. 
— AA. Hrss£: Giebt es eine unmittelbare Reichsangehörigkeit? S. 24. 
v0) AA. JELLINEK: Staatenverbindungen 8. 278.
	        
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