Full text: Die Geschichte Württembergs.

38 II. Württemberg als Grasschaft. 
vollständigen Umwandlung der Kriegsführung durch die Erfindung des Schleß- 
pulvers. So sehen wir denn eine große Anzahl adeliger Häuser theils ganz ver- 
schwinden, theils dem Untergang entgegengehen, wie die von Teck, Urach, Grö- 
ningen, Vaihingen, Berg, Löwenstein, Neuffen, Helfenstein, Sulz, Tübingen 
u. v. a. Die Aufgabe des Ritterthums war erfüllt, es mußte nach und nach 
seine Rolle an die immer mehr aufwärts strebenden Städte abgeben. 
Die Reichstädte waren vom 12. Jahrhundert an Mittelpunkte des 
Handels, des Reichthums und der Bildung geworden und es wird mit allem 
Recht diese Zeit ihr „goldenes Zeitalter“ genannt. Die Kalser ertheilten ihnen 
gerne Privileglen und suchten sie auf alle mögliche Weise an sich zu ziehen, da 
ihnen an ihrer Freundschaft viel gelegen war, um sie gegen den streitlustigen Adel 
zu benützen. Die Städter thaten sich auf diese kaiserlichen verbrieften Rechte viel 
zu gut und ließen sich darum um so weniger Einfälle der Ritter gefallen, die 
längst mit Neld und Eifersucht den zunehmenden Reichthum und die wachsende 
Macht der Städte betrachteten. Die freien Reichstädte durften sich selbst Gesetze 
geben, wie sie wollten. Dem Katser stand nur das Recht der Bestätigung zu. 
Damit verband sich die eigene Gerichtsbarkeit, die sie so selbständig wie jeder 
Reichsfürst ausübten. — Die Hauptmacht besaßen in den Städten anfangs die 
vornehmen und reichen Geschlechter, welche mit den Adellgen auf dem Lande 
meist verwandt waren, so daß mancher Städter eine Ritterburg und mancher 
Ritter das städtische Bürgerrecht besaß. Eine derartige enge Verbindung zwischen 
Stadt= und Landadel konnte jedoch nicht lange Stich halten, da letzterer häufig 
mit den Städten in Fehde lag. Die Geschlechter wurden deßhalb, namentlich in 
den süddeutschen Städten, verjagt und während sich dadurch — und noch mehr 
durch Aussterben — ihre Zahl bedeutend verringerte, gewannen die Zünfte 
lmmer mehr an Einfluß und Gewalt. In dlesen Zünften, die sich eng aneinander 
schloßen, lag eine gewaltige Kraft, die sich allenthalben Bahn brach und vor 
keinem Kampf zurückscheute. In Basel und Ulm kamen sie, nachdem sie die Ge- 
schlechter verjagt hatten, schon im 13. Jahrhundert zur Herrschaft. — Neben 
den Gewerben war besonders der Handel eine große Quelle des Reichthums 
der Städte. Nachdem schon Flandern einen großen Handelsbund geschlossen 
hatte, wurde im Jahr 1241 von Lübeck aus die große Hansa mit den 
Städten am Rhein und an der Elbe gegründet. Die Vororte waren Lübeck und 
Köln. Später wurde die Hansa in vier Krelse getheilt mit den Hauptstädten 
Lübeck, Köln, Braunschweig und Danzig. In Süddeutschland zeichnete sich Um, 
später Augsburg, durch Handel aus, nachgehends ebenso Nürnberg in Gewerben. 
Ulm war der Stapelplatz von Leinwand, die in Oberschwaben gesponnen und ge- 
woben wurde. Auch in Gmünd, Heilbronn, Ravensburg (hier wurde das erste 
Linnenpapier gemacht) und Reutlingen standen die Gewerbe in voller Blüte. Die 
bedeutendsten Handelsgeschäfte wurden in Stuttgart und Calw gemacht. Durch 
dieses geschäftige Treiben in den Städten entstand ein großer Reichthum, der sich 
in der Erbauung kostbarer und kunstreicher Kirchen und Rathhäuser, im Bau 
prächtiger Wohnungen, in Wohlleben, feiner Kleidung und Schmuck zeigte. Doch 
führte dieser Wohlstand bald zu übertrlebenem Lurus und später zu wilder Aus- 
gelassenheit und Verschlechterung der bis dahin strengen Sitten der ehrbaren 
Bürger. 
Neben dem emsigen Treiben um Geld und Gut in Handel und Gewerben
	        
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