Full text: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Erster Band. (1)

Die Franzosen 87 
Generalissimus Joffre hatte das XI. Korps als Heeresreserve zurück. 
gehalten, das XIX. Korps war noch auf dem Wege aus Afrika nach 
Frankreich begriffen und kam nur mit den ersten Staffeln ins Gefecht, als 
die Kämpfe im Elsaß begannen. 
Anschließend an den linken Flügel der französischen Gesamtstellung 
vollzog die englische Armee vom 14. bis 21. August, also verspätet, ihren 
Aufmarsch im Raume Mons—Maubeuge, wo alles Erforderliche vor- 
bereitet war. Sie konnte dort je nach der Lage mit der Front nach Nord- 
osten aufmarschieren und durch das Sambretal auf Namur vorrücken oder 
mit nach Osten gewandter Front hinter dem französischen linken Flügel ge- 
staffelt werden. Bei Lille endlich sollten französische Terricorialtruppen 
einen Rückhalt bilden, um bei einem Vormarsch der Engländer über die 
Sambre die Flankensicherung zu übernehmen, deren man übrigens kaum 
zu bedürfen schien. 
Oieser Versammlungsplan der englisch-französischen Armeen stand und 
fiel mie den belgischen Festungen, falls die Deutschen den ersten Schritt taten 
und bei Aachen und Montmédy über die belgische Grenze gingen. Gelang es, 
die deutschen Armeen im raschen Gegenangriff anzufallen, ehe die durch 
Belgien vorstrebenden deutschen Kräfte die Maassperren Überwunden hakten, 
und vermochte die belgische Armee gegen die rechte Flanke des Angreifers 
zu wirken, so konncee eine glückliche Schlacht „zwischen DMaastricht und Basel“, 
auf welche die französische Regierung in einer Kundgebung vom 16. August 
ausdrücklich vorbereitete, die erste Dhase des Feldzuges zugunsten der West. 
mächte entscheiden und die deutsche Armee an den Mhein und in die Ver- 
teidigung werfen. 
Diese Schlacht ist nie geschlagen worden. 
Die französische Armee, die zu einer so groß angelegten Angriffsbewegung 
bestimmt war, batte zwar nach ihrer Neuerstarkung im Laufe der lehten 
Jahre den Angriffsgedanken in ihre Grundsätze aufgenommen, war aber 
eigentlich von Natur aus nicht auf ausholende Bewegungen und Begegnungs- 
schlachten im unbekannten Gelände vorbereitet. VBiel näher lag ihr die 
„offensive Defensive". Diese gestattet den Franzosen, ihre Begabung für 
behelfsmäßige Einrichtung fester Stücpunkte zu entfalten, geringere Näume 
im selbständigen Handeln der Unterführung zu beherrschen, Moral und Mut 
an Einzelerfolgen immer wieder neu zu beleben und die Vorzüge ihres 
beweglichen Feldgeschützes auszunugen. 
Niches ist verkehrter, als dem Franzosen Ausdauer abzusprechen. 
Er hat in allen Feldzügen seiner an Siegen und Niederlagen so reichen 
Kriegsgeschichte außer seinem sprichwörtlichen taktischen „Elan“, dem 
Schwung stürmisch vorgetragener Angriffe, gerade diese Zähigkeit in der 
Verteidigung nachgewiesen. Starke Einbildungskraft und heiterer Muc 
unterstützen ihn darin und lassen ihn, solange er festes Vertrauen zur Führung
	        
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