Full text: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Erster Band. (1)

Die Belgier 93 
sichtlich den Zweck, den Vormarsch der deutschen Armee in der rechten Flanke 
zu bedrohen, während die französischen Heere die Maas überschritten und 
den Angreifer an den Hörnern packten. Ein solcher Plan war vornehmlich 
auf die Widerstandsfähigkeit Lü#ttichs gegründet, das die linke Flanke der 
belgischen Armee zu decken hatte. Auch ein deutscher Vormarsch im Zuge 
des Maas. und Sambretales ist für möglich gehalten worden, eine Neben. 
lösung, der die Grundaufstellung der belgischen Armee im Dreieck Namur— 
Anewerpen—Oültich begegnete. Doch scheint auf belgisch -französischer Seite 
die Absicht bestanden zu haben, die deutschen Armeen, wenn möglich, schon 
nahe der belgisch-deutschen Grenze zum Begegnungskampf zu stellen, so 
daß dann auf der idealen Linie Maastricht—Luxemburg geschlagen worden 
wäre. Das war aber nur angängig, wenn alle Voraussetzungen zum Worteil 
der Westmächte eincrafen: rasche Mobilmachung und Bereitstellung der 
belgischen, französischen und englischen Armeen, beschleunigter Vormarsch 
auf der ganzen Linie und beträchtliche Verzögerung der deutschen Angriffs- 
bewegung durch das starke Lücttich und die natürlichen Hindernisse des zer- 
rissenen Geländes zwischen Lüctich und Luxemburg, wo vorgeschobene 
Deckungstruppen dem Eindringling großen Aufenthalt bereiten mußten. 
In Erwartung der englisch-französischen Armeen nahm nun die 1. bel. 
gische Division bei Tirlemont, die 2. bei Löwen, die 5. bei Pervez und die 
6. bei Wavre Stellung. Die 3. Division erhielt Befehl, Lüctich zu decken, 
und die 4. Division hütete Namur. Die belgische Hauptmacht versammelte 
sich also zwischen Lüctich, Namur und Antwerpen, deckte dadurch zugleich 
die Hauptkstadt Brüssel und vertraute auf die Festungen, vor allem auf 
Lüttich, bis die Stunde zum Angriff auf den rechten Flügel der deutschen 
Armee oder deren offene Flanke gekommen war. Die französische Armee 
mußte ja späteskens am 14. August vor Namur erscheinen. Auch wenn 
angenommen wurde, daß der Belagerer vor Lültich für starke Mückendeckung 
sorgen würde, so erwuchs dem belgischen Heere aus dieser Teilung der deutschen 
Kräfte ein Vorteil. 
Antwerpen vollendete inzwischen seine Rüstung. Oieses mächtige 
verschanzte Lager ist von Brialmont als Grundlage des belgischen Festungs- 
spstems und als Landeszuflucht mit den reichsten Mitteln ausgebaut worden. 
Der Umpfang seines äußeren Gürtels betrug über 100 Kilometer, starle 
Iwischenmwerke schoben sich in die Lücken der Außenforts, fortlaufende 
Schanzenlinien verbanden die inneren Werke, und schirmend legte sich die 
Schelde mit ihren Nebenflüssen, der Nethe und Ruppel, vor die Südfront, 
wo die Annäherung des Feindes am ehesten zu erwarten war. An die Ost- 
front# Antwerpens trat holländisches Gebiet so nahe heran, daß dort kein 
Belagerungsangriff angeseht werden konnte. Im Norden schügzten nieder- 
ländische Gewässer und im Westen erschwerte die Schelde die Annäherung. 
Die Seesperre von holländisch Vlissingen war allerdings auch einer englischen
	        
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