Full text: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Erster Band. (1)

Die Engländer 95 
Zwischen Lüttich und Namur war das große Sperrfort Huy als 
Bindeglied eingeschoben. Namur, die Feste am Vereinigungsort von 
Maas und Sambre, von neun starken Fort#s umgeben und Sammelplag 
einer Felddivision, war als dritte Wegsperre ausgestaltet. Gelangten die 
Deutschen bis Namur, so traten ihnen nach Annahme der englischen, belgi- 
schen und französischen Fachleute, die dieses Problem ja gemeinsam geprüft 
hatten, unter allen Umständen starke englische Kräfte entgegen und erleichterten 
den französisch-belgischen Armeen die Erneuerung der Schlacht. Die Be- 
reitskellung des englischen Feldheeres entsprach indes diesen Studien und 
Erwartungen nicht (4). 
Die Engländer 
Die englische Armee war zwar sofort nach der Kriegserklärung an 
Deutschland in Bewegung geseht worden, kam aber erst vom 8. August an 
in Boulogne, Calais, Dünkirchen und Ostende zur Ausschiffung und begann 
erst am 14. August ihren Aufmarsch im Raume Maubeuge. 
Diese Säummis ist unerklärlich, da die Verwendung des englischen Feld- 
heeres auf dem Festlande im Falle eines Koalitionskrieges längst vorgesehen 
war. Wie die englische Regierung in den lehten Jahren ihre Kampfflotte 
in den heimischen Gewässern vereinigt und bereitgehalten hatte, so war sie 
auch darauf bedacht gewesen, das an Zahl geringe, aber vorzüglich ausgerüstete 
Feldheer in volle Bereitschaft zu setzen. Der Oberbefehl war Feldmarschall 
French vorbehalten, der sich durch wiederholte Bereisung des Versammlungs. 
gebietes und regen Gedankenaustausch mit dem französischen und belgischen 
Generalstab mit seiner Aufgabe vertraut gemacht hatte. Das gesamte Feld. 
beer zählte etwa 160 000 Mamn und konnte durch Einziehung der General- 
reserve rasch auf 300 000 Mann gebracht werden. 
Das britische Heer war nicht zum Bewegungskrieg großen Stils erzogen, 
sondern auf einfache taktische Formen in Marschkolonnen und Verteidigungs- 
schlache eingeschworen, die sich in den Kämpfen mit wilden und halbwilden 
Wölkern herausgebildet hatten. Dagegen erschien es im Stellungskrieg als 
starker Gegner, dessen hartnäckige Tapferkeit, kaltes Blut und Selbstsicherheit 
im Feuergefecht und beim Nahkampf sehr zur Geltung kamen, Eigenschaften, 
die schon Napoleon der britischen Infanterie, „der besten der Welte, von der es 
zum Glück nicht viel gebe“, nachgerühmt hatte. Konnte Lord Kitchener, 
der bei Kriegsausbruch die Leitung des Kriegsministeriums und die Bildung 
eines großen Freiwilligenheeres übernahm, diese Berufsarmee rechtzeitig 
als Rahmen eines Millionenheeres nugbar machen, so erskand Deutschland 
in England auch auf dem Lande ein sehr beachtenswerter Gegner. Auf dem 
Meere war Englands Vorherrschaft ohnedies so fest verankert, daß es die 
deutsche Schiffahrt lahmlegen und die deutsche Kriegsflotte sofort in die 
Verteidigung zwingen konnte.
	        
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