Full text: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Erster Band. (1)

Betrachtungen zur Schlacht an der Marne 213 
längst zugunsten der Deutschen entschieden haben. Das war sogar mit Sicher. 
heit der Fall, wenn hinter ber 3. und 4. deutschen Armee eine strategische 
Reserve bereitstand. Diese hat freilich gefehlt. Die deutsche Heeresleitung 
hatte am 20. August zwei Korps vom Bewegungsflügel weggenommen und 
nach Osten gesandt und die 6. Armee in der Stärke von vier Korps vor Nancy 
festgelegt. Das VII. Reservekorps belagerte Maubeuge und wurde erst am 
8. September frei. Es brauchte mindestens flinf Tage bis zur Abführung 
der Gefangenen, der Besetzung der Gestung, der Sicherung des Belagerungs- 
parkes und zum Anmarsch auf die Aisne. Es bleibt also fraglich, ob die 
Oeutschen die Schlacht an der Marne ausnüctzen konnten, wenn sie sie mit 
dem Aufgebot der vollen Kraft durchfochten und den operativen Durchbruch 
in der Mitte erzwangen, der ohnedies geringere strategische Aussichten bot 
als eine äußere Umfassung der linken Flanke oder eine innere Umfassung der 
rechten Flanke des französischen Nordheeres. Und doch — war man einmal 
über die Linie Compiegne—Reims—St. Menehould nach Süden vor- 
gedrungen oder nachgefolgt, statt dort eine Flankenstellung zu beziehen und 
Blick und Stoß nach Nordwesten zu richten, so forderte das Schicksal folge. 
richtig die Durchkämpfung der Schlacht, sei es südlich oder, noch besser, 
nördlich der Marne, wo Paris als Stützpunkt des linken französischen Flügels 
ausschied. 
Wir glauben daher auch nicht, daß solche Erwägungen ftr sich allein 
den Ausschlag gegeben haben, als man sich im Großen deutschen Haupt. 
quartier zu Luxemburg entschied, die Schlacht abzubrechen und der Entschei- 
dung auszuweichen. Der Zweifrontenkrieg warf seine Schatten über den 
Kartentisch der obersten Heeresleitung. Außerdem müssen Gründe dazu 
getreten sein, die im Rücken der deutschen Angriffsfront erwachsen waren. 
Es war zu bedenken und man hatte es nun erkannt und gewogen, daß die 
offene Flanke weit gegen Westen klaffte, daß Antwerpen noch stand, aus dem 
am 9. September die belgische Armee, im Einklang mit der Schlachthandlung 
an der Marne, schwungkräftig zum Ausfall hervorgebrochen ist. Der Nach- 
schub von Vorräcen und Reserven war gefährdet, Schienen, Brücken und 
Tunnels noch unterbrochen, Rochadelinien dicht binter der Front nicht 
vorhanden und jenseits des Kanals in England ein Feind erstanden, den 
man bei Mons und St. Quentcin zwar geschlagen, aber nicht zu Boden 
gerungen, sondern erst in Bewegung gebracht hatte. Also bestanden auch 
ohne Heranziehung der WVerhältnisse, die im Osten wirksam geworden waren, 
genügende Gründe, den Abbruch der Schlacht zu erwägen, die unter 
ungünstigen strategischen Bedingungen dargeboten wurde. 
War mum aus allgemeinen Erwägungen einmal der Entschluß gefaßt, 
die Schlacht nicht durchzufechten, so blieb noch Großes anzuordnen und zu 
tun, nämlich die Armee vom Feinde zu lösen und eine neue Grundstellung 
zu suchen und sich in dieser einzurichten. Das ist rasch und entschieden ge-
	        
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