Die strategische Lage am 18. August 273
In Wirklichkeit stand General Everth schon mit der 4. Armee im
Noum Lublin, General Hlehwe mie der 5. Armee bei Cholm, General Rußli
mit der 3. Armee bei Dubno und General Iwanow mit der 8. Armee bei
Proskurow, die 4. und 5. im Norden und die 3. und 8. Armee im Osten
und Südosten zu umfassendem Augriff aufgebaut und dem Gegner um
200 Bataillone, zahlreiche Geschütze und ungezählte Schwadronen überlegen.
Bei Wilna und Kowno und bei Warschau zwei starke Armeen, die zum
tenzentrischen Einmarsch in Ostpreußen bestimmt waren, bei Brest-Licow#s#t
und Lublin im Raume Oubno sowie bei Proskurow die Hauptmasse einheit.
lich zum umfassenden Einbruch in Galizien bereitgestellt — wahrlich, die
russische Heeresleitung hatte Grund, große Hoffnungen auf eine rasche Nieder.
werfung der ihr gegenübertrekenden deutschen und österreichisch--ungarischen
Streitkräfte zu setzen! Die deutsche Ostarmee schien verloren, wenn sie östlich
der Alle den Kampf aufnahm, und die österreichisch-ungarische Nordarmee
schien zunächst von einem Flankenangriff aus Norden bedroht, der sie von
ihren Ost. Westverbindungen und der befestigten Rückzugslinie Lemberg—
Drzemysl—Krakau abschneiden und nach Süden an den Ostfuß der Kar-
valhen drücken und dort vernichten konnte. Die österreichisch-ungarische
Heeresleitung sah sich daher am 18. August erneut vor die Frage gestellt,
ob sie unter diesen Umsländen auf den ursprünglichen Plan, angriffsweise
vorzugehen und die Russen östlich des San anzupacken, verzichten oder an
ihm festhalten sollte. Der Entschluß mußte rasch und bindend gefaßt werden.
Geschah dies zugunsten des ursprünglichen Planes, so fiel erschwerend
ins Gewicht, daß die Angriffsbewegung nun möglichst bald ausgeführt
werden mußte. Das hieß, die völlige Versammlung des Heeres konnte in
diesem Falle nicht mehr abgewartet werden. Zu nahe stand bereies der
Feind. In der Nacht auf den 18. August wurde im Hauptquartier zu
Drzemysl die Entscheidung getroffen, den Angriff mit der Nordgruppe
durchzuführen. Das war eine Entscheidung von außerordenrlicher Schwere,
die von grundlegender Bedeutung für Einleitung und Verlauf des Feld.
zuges werden und zu einem exzentrisch wirkenden Zusammenprall der Heere
zwischen San und Bug und Onjestr und Ikwa führen sollte.
Die Widersprüche der Nachrichten über die Aufstellung der russischen
Hauptmacht waren noch nicht gelöst, die Lücken der Meldungen noch nicht
ausgefüllt worden, als Erzherzog Friedrich und General Conrad v. Högen-
dorf sich aufs neue zu dem Entschluß bekannten, angrifföweise zu schlagen.
gJedes Zögern wäre verderblich geworden, ein Entscheid mußte in jedem Falle
getroffen werden, denn schon damals begannen sich die Anzeichen zu mehren,
daß der Feind über eine ausgebreitete Spionage verfügte, die ganz Galizien
wie mit einem Spinngewebe Überzog. Planmäßig wurden den österreichischen
und ungarischen Kundschaftern zahlreiche falsche Auskünfte gegeben und der
Feind durch verräterische Signale von den Bewegungen der Truppen in
Stegemanno Geschichte des Krieges. I. 18