Full text: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Erster Band. (1)

384 Anhang zur militärischen Lage Europas 
In diesen Altenstücken wird llargelegt, unter welchen Umständen der englische 
Militäraktaché dem belgischen Generalstab englische militärische Hilfe zusichert, 
und zwar zunächst in akademischer Form. Für den Fall eines Angriffs Deutsch. 
lands auf Belgien sollen 100 000 Mann auf dem Festland erscheinen. Die 
Landung der englischen Truppen soll an der srcanzösischen Küste, in der Gegend 
von Oünlirchen und Calais, erfolgen und möglichst beschleunigt werden. Belgisches 
Gebiet soll erst nach der Verletzung der Neutralität durch die Deutschen betreten 
werden. Eine Landung in Antwerpen wird nicht für tunlich befunden, weil sie 
mehr Zeit und größere Verschiffungen erfordere und bei der größeren Nähe der 
deutschen Seebasis weniger Sicherheik biete. Die Dauer des Transportes be- 
rechnet Barnadiston auf rund zehn Tage. 
Später gibt Barnadiston bestimmtere Jahlen und Daten. In 12 bis 13 Tagen 
sollen zwei Armeekorps, vier Kavalleriebrigaden und zwei Brigaden berittener 
Infantkerie gelandet werden. Barnadiston will von Ducarne eine Jusicherung 
erhalten, ob der belgische Generalstab über genügend Verteidigungsmitkel während 
der Bereitstellung des englischen Expeditionskorps versüge. Auch will er die 
Frage des Eisenbahnaufmarsches und des Oberbefehls geregelt wissen. Später 
erklärt der Engländer, daß wenigstens 12 Tage notwendig seien, um an der fran- 
zösischen Küste zu landen, wogegen 1 bis 2½ Monate erforderlich wären, um 
100 000 Mann in Antwerpen auszuschissen. Während dieser Unterhaltungen 
setzte der englische Generalstab seine Studien über die Beteiligung Englands am 
Kontinentalkrieg fort und suchte sichere Anhaltspunkee für eine Beschleunigung 
der englischen Verschiffung zu gewinnen. Das Ergebnis war nach dem Bericht 
Oucarnes nicht günstig, denn Barnadiston versicherte späterbin nur, daß die Hälfte 
der englischen Feldarmee, also im Höchstfall 80 000 Mann, in 8 Tagen und der 
Rest am Ende des 12. und 13. Tages ausgeschifft sein könnten. Für die bertttene 
Infanterie wurde eine noch längere Frist verlangt. 
Ducarne besteht in dieser akademischen Auseinandersehung immer wieder 
darauf, daß die englischen Landungen möglichst beschleunigt werden. Er verlange 
seinerseies vor allem — das ist beim Ausbruch des Krieges von größter Wichtigkeie 
geworden und beweist den militärischen Scharfblick, der im belgischen Generalstab 
berrschte —, daß die Engländer zwischen dem 11. und 12. Tag mit den belgischen 
Truppen vereinige sein müßten. Für den Fall, daß diese Vereinigung nicht zu- 
stande komme, sieht Ducarne einen schweren Mißerfolg voraus. Barnadiston 
versichert ihn, daß zu diesem Iwecke alles geschehen werde. Der Belgier überzeugt 
den englischen Milicärattachk vom guten Willen des belgischen Generalstabs, die 
Angriffsbewegungen der Deueschen soviel als irgend möglich zu hemmen. Die 
belgische Armee soll sich daher nicht sofort nach Ankwerpen zurückziehen, sondern 
das freie Feld behaupten, bis die Bereinigung der englischen Truppen mit den 
belgischen Streikkräften erfolgt ist. Das muß aber binnen 12 Tager geschehen sein. 
Bei den französischen Mansvern des Jahres 1906 tauschen Ducarne 
und der ebenfalls anwesende General Grierson wieder ihre Gedanken aus, und 
Ducarne erhäle dort die Versicherung, daß die Reorganisation der englischen Armee 
nicht nur die Candung von 150 000 Mamn sichere, sondern auch eine Beschleuni- 
gung der Bewegungen der englischen Truppen zur Folge haben werde. Im Jahre 
1912 sprechen die Engländer sogar von 160 000 Mann, nämlich 6 Infanterie.
	        
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