Full text: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Erster Band. (1)

Zu den englischebelgischen Besprechungen 389 
Aufstellung der belgischen Armee durch das Zusammengehen mit der englisch- 
französischen begründet werde, und versuchte die aufgeregten Gemüter durch be. 
schwichtigende Hinweise auf das starke Lüttcich und durch das WVersprechen, nach 
Arlon und Verviers Garnisonen zu legen, zu beruhigen. 
Die Heeresreform sollte das belgische Heer auf eine Stärle von rund 300 000 
Mam bringen. Sie wird angenommen. Damit fiel für England die Not- 
wendigkeit weg, sein gesamtes Feldheer bei Antwerpen oder Zee. 
brügge einzusegen, da nun ja die belgische Armce dieser Aufgabe gewachsen 
war. Vielleicht besaß man in England auch nicht genügenden militärischen Scharf- 
blick, um zu erkennen, daß die Ourchführung dieser Heeresreform im Sommer 1914 
noch in den Anfängen stak, und wurde peinlich überrasche, als man erkannte, daß 
Velgien troh der Einführung der Reform nur 120 000 Mann ins Feld stellte. 
Diese Erkenntnis mag aber zu spät gereift sein, um den englischen Generalstab zu 
veranlassen, auf eine Landung in Ostende oder Antwerpen zurückzukommen, die 
natürlich nicht im englischen Interesse lag, wenn die Belgier allein imstande waren, 
dem deutschen Ansturm zu begegnen. Besegte die belgische Armee die ihr im 
allgemeinen Kriegsplan zugedachte Flankenstellung mit genügenden Kräften, so 
konnte England seine Kräfte schonen und sein Heer bei Maubeuge als zweites 
Treffen aufmarschieren lassen, wie dies tarsächlich geschehen ist. Daß die Engländer 
dann doch den ersten und stärksten Stoß auszuhalten hatten, war nicht ihre Schuld. 
Wäre der Krieg nicht 1914, sondern im Jahre 1917 ausgebrochen, so hätte 
Belgien zweifellos 250 000 Mann unter den Waffen gehabt und die ihm zugedachte, 
um nicht zu sagen aufsgenseigte, Rolle im Felde mit größerem Erfolg spielen 
können als im August 1914, wo es, von den Engländern im Stich gelassen und von 
den Franzosen nicht rechtzeitig unterstützt, der deutschen Heeresmacht binnen 
sieben Tagen (13. bis 20. August) erlag und sich in Antwerpen einschloß, was 
Generalstabschef Ducarne schon im Jahre 1906 als unzweckmäßig bezeichnet hat. 
(Siehe Dokument Oucarne.) 
Kein Wunder, daß die Belgier sich bitter darüber beklagten, von den Eng- 
ländern und Franzosen im Stiche gelassen worden zu sein. Das geht deutlich aus 
der Veröffentlichung „Lacampagne de l’armte belge“ hervor, die, nach offiziellen 
Dokumenten bearbeitet, im Verlag von Bloud & Gay in Paris (1915) erschienen 
ist. Wiederholt wird darin auf das Ausbleiben der zugesagten Unterstücung durch 
englische und französische Druppen hingewiesen. Statt dieser mußten sich die Belgier 
in der Tat mit Lobsprüchen begnügen, die ihnen von englischer und französischer 
Seite gespendet wurden. 
In der belgischen Feldzugschronik heißte es nach der Schilderung des Gefechtes 
an der Gette: „Auf unserem recheen Flügel war die Fühlung mit den verbündeten 
Kräften nicht hergestellt. Die englische Armee erreichte nur Maubeuge.“ Und 
auf Seite 54 wird gesagt: „Mais „I’admirable eflort des Belges“ (cl. Com- 
muniqué oflbciel krançais de 25 Aoüt) Cmerveilla le monde, et la nation anglaise, 
Par la voix de son premier ministre, exprima sa berté de leur alliance et de 
leur amitié.“ (Discours de M. Asquith. Ile 25 Acüt, à lachambre des communes.) 
Die Werteidigung Belgiens durch die Belgier hat nach Maßgabe der 
vorhandenen Mittel nichts zu wünschen gelassen, ihr Wille war durch das 
Vertrauen auf die Westmächte gestärkt worden.
	        
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