Full text: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Erster Band. (1)

68 Aus der Vorgeschichte des Krieges 
erdruckt zu werden. Sie wies die Forderung Rußlands auf Entlassung der 
deutschen militärischen Berater der türlischen Armee, die Freigabe der 
Ourchfahrt für die russischen Kriegsschiffe ab, erwarb die in überraschendem 
Curchbruch durch die englischen Geschwader nach Konstantinopel gelangten 
deutschen Panzerschiffe „Goeben“ und „Greslau“ und schloß die Darda- 
nellen. Am 29. Okkober fielen im Schwarzen Meer die ersten Schüsse, die 
das Ottomanenreich mit Rußland wechselte. 
Kurz darauf unterschrieben England und Frankreich einen geheimen 
Vertrag, der Konstantinopel und die Dardanellen den Russen zusprach, 
einen Vertrag, in dem England einen der wichtigsten, wenn nicht den wich- 
tigsten Leitsatz seiner Policik preisgab, um dafür alles an die Nieder. 
werfung Deutschlands zu secyen. Durch die Balkanstaaten, die sich bis auf 
weiteres gegenseitig in Schach bielten, von ihren Berbündeten im umkämpften 
Europa geschieden, führte nun die Türkei den verzweifelten Kampf um ihren 
geschichtlichen Bestand, bis auch auf dem Ballkan die künstliche Ruhe zer- 
brach und Bulgarien das Zeichen zum Eintritt in den europäischen Krieg 
gab. Es zerriß den Bukarester Frieden und trat an die Seite Deutschlands 
und Osterreich-Ungarns, um sich Mazedonien wieder zu holen und die große 
Landbrücke von Deutschland bis Kleinasien sicherzustellen. Hierzu konnte 
es indes nur gemeinschaftliches militärisches Handeln mit den beiden Mittel- 
mächten befähigen. Deutschland war daher genötigt, auch auf dem Balkan 
zu kämpfen und durch Serbien nach Bulgarien und Mazedonien bis Kon- 
stantinopel zu gelangen, wo England und Frankreich, gestützk auf ein geheimes 
Abkommen mit Wenizelos, dem offiziell Einspruch erhebenden griechischen 
Ministerpräsidenten, üÜber Griechenlands Neutralität hinwegschritten, um 
in Saloniki Fuß zu fassen und Serbien die helfende Hand zu reichen. 
Zuletzt, als der Balkan sich immer mehr zum Brennpunkt der Kämpfe 
entwickelte, trat noch Rumänien an der Seite der Entente in den Ring 
der Kriegführenden und brach am 28. August 1916 unter Aufsage alter 
Bündnisse in Ungarn ein, wo es die ungarländischen Rumänen und das 
Banat für sich zu gewinnen hoffte. Bis auf Norwegen, Schweden, Däne- 
mark, Holland, Spanien und die Schweiz sind im Laufe von zwei Jahren 
alle Bölker Europas in den europkischen Krieg verwickelt worden. Auch 
diejenigen, die nicht unmittelbar daran bereiligt waren, litten unter dem 
Kriegsdruck auf das schwerste und sahen sich als Neutrale um den Genuß 
ihrer Freiheiten und Rechte verkürzt, die von den kriegführenden Parteien, 
vornehmlich von dem seebeberrschenden England, bis zur Verstümmelung 
eingeschränkt wurden, gegen die selbst die Vereinigten Staaten von Amerika 
vergeblich Einspruch erhoben (71). 
Als Deutschland den Krieg im Bund mit Osterreich-Ungarn auf sich 
nahm, war es sich vielleicht nicht ganz bewuße, in welchem Umfang es sich 
um einen Kampf um Sein oder Nichtsein handelte. Noch lebte im deutschen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.