Full text: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Erster Band. (1)

Allgemeine Erwägungen 
ls der europäische Krieg entbrannte, war die militärische Lage Eu- 
ropas seit Jahren gegeben. Vermehrte Rüstungen hatten sie im 
Jahre 1913 nur schärfer berausgearbeitet, ohne ihre Grundzüge zu ver. 
ändern. Die diplomatische Einkreisung der Mittelmächte war durch die 
milicärische nahezu vollendet worden. 
Deutschlands geographische Lage ist Deutschlands Schicksal und weist 
dieses entwicklungsfähige Land wirtschafelich über die Meere, militärisch 
in die strategische Verteidigung. Im Herzen Europas gelegen, im Ossen 
von Nußland, im Westen von Frankreich umklammert, im Norden von 
Englands Flotte in Schach gehalten und im Süden durch die Leibeswärme 
des verbündeten Osterreich-Ungarn hindurch vom eisigen Atem des Balkans 
und der Adria angehaucht, war Deutschland gezwungen, seine Streitkräfte 
in einem Koalitionskrieg nach zwei und drei Fronten zu entwickeln. Das 
mit ihm auf Leben und Tod verbündete Osterreich-Ungarn sah sich in gleicher 
Lage. Auch seiner wartete ein Zweifrontenkrieg, der es im Osten mie dem 
Einfall russischer Heere, im Süden mit dem Vorbrechen der serbischen Armee 
und im späteren Verlaufe des europäischen Krieges mit einem Feldzuge 
der Italiener bedrohte. Eng zusammengeschlossen, konnten die beiden Reiche 
ihren Aufmarsch zum Daseinskampf nur dann ungesäumt und ungestört 
vollziehen, wenn sie trotz der Ungunst der Binnenlage nicht darauf ver- 
zichteten, diese von sich aus zu ordnen und neu zu bestimmen und dem 
exzentrisch fechtenden Bundesgenossen, der Türkei, im gegebenen Augenblick 
die starke Hand zu reichen (1). 
Ihre Sereitkräfte durften daher nicht in starrer Verteidigung verharren, 
sondern mußten trachten, an den entscheidenden Stellen angriffsweise vor- 
zugehen und den Krieg auf feindliches Gebiet zu tragen. Dort galt es, den 
Willen des Gegners in hartem Kampf zu brechen. Nur so vermochten sie 
dem konzentrisch vom Amfang zur Mitte vorstrebenden Angriff der Russen 
im Osten, der Serben und Italiener im Süden, der Franzosen und Engländer 
im Westen so zeitig Naum und Bewegung abzugewinnen, daß die Gefahr 
beschworen wurde, zwischen den von allen Seiten heranrückenden feindlichen 
Armeen erdrückt zu werden. Es war, in riesenhafte Verhälenisse übertragen, 
das Problem, das schon Friedrich der Große vorgefunden und mit über- 
menschlicher Anstrengung gelöst hatte. Auch er war gezwungen worden, im 
strategischen Ausfall Raum zu gewinnen, und durchbrach das Kurfürstentum 
Sachsen, wie die Deutschen im Jahre 1914 Belgien durchbrochen haben, 
denn wie diese sah er sich von einer Koalition bedroht, die ihn vollständig 
 
	        
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