Sozialismus Asiaticus
Weimar, 4. März
Die Spartakisten, die Unabhängigen, die Bolschewisten sind
nicht urplötzlich wie eine der ägyptischen Plagen vom Himmel
gefallen. Sie sind auch nicht aus der Hölle emporgestiegen.
Sie sind ein natürliches Erzeugnis der sozialdemokratischen
Angitation, die nur durch die frühere Staatsgewalt daran ver-
hindert wurde, ihre Lehren in die Tat umzusetzen. Die Cohn
und Genossen benehmen sich im Parlament und in der Volks-
versammlung heute genau so wie einst die Scheidemann und
Genossen, deren wüstes Auftreten wir jetzt nur schon zu ver-
gessen beginnen. Da aber beute der Staat machtlos gewordenist,
haben wir nicht nur wie ehedem eine Anzahl revolutionärer
Spießbürger in der Reichsredehalle, sondern auf der Straße
und in den Betrieben die toll gewordenen Massen, diein wenigen
Wochen sich selbst und uns alle zu Bettlern machen können.
Mit einer fast unheimlichen Ruhe, in einem so gleich-
mäßigen Tonfall, als verlese er etwas längst Feststehendes und
kaum mehr Interessierendes, sagt der Unabhängige Henke-
Bremen, die neue Verfassung werde nicht so alt werden wie
die bisherige, — wenn sie überhaupt zustande komme. Nie
seien wir der Eroberung der politischen und wirtschaftlichen
Macht durch die Arbeiterklasse, dem Ziel, auf das die Sozial-
demokratie jahrzehntelang bingearbeitet habe, so nahe ge-
wesen als jetzt. Das Rätesystem bedeute natürlich das Ende
des Parlamentarismus. „Aber da wird Ihnen nichts helfen.“
Daß der Verfassungsentwurf nur die Versammlungen Un-
bewaffneter schützen wolle, sei lächerlich; man werde sich schon
noch daran gewöhnen müssen, daß die Massen in Zukunft
sich stets bewaffnet versammelten, auch wenn es der jeweiligen
Frledrich der Vorläufige 81 6