haftet hatte, Pressechef der neuen Regierung geworden
sein. Er war einmal ein glänzender und trotz seiner Jugend
gesuchter Rechtsanwalt in Berlin. Plädierte für Geo
Schmidt in Sachen Pöplau wider Erzberger oder ähnlich.
Hatte schnell große Einnahmen. Hielt sich Rennpferde und
wurde mehr los, als er einnahm. Schon damals ein Radikal-
Nationaler, gründete eine jungkonservative Partei gegen die
Konservativen. Als ihm finanziell das Wasser an den Hals
ging, machte er irgendwelche üble Sachen und — floh. GEing,
steckbrieflich verfolgt, nach Südamerika, arbeitete sich mit
unbezähmbarer Energie wieder hoch. Ließ bei Ausbruch des
Krieges alles im Stich, schlug sich nach Deutschland durch,
trat als Soldat unter falschem Namen freiwillig ins Heer,
wurde wegen Tapferkeit vor dem Feinde zum Offizier be-
fördert, dann endlich erkannt, vor Gericht gestellt und —
amnestiert. Ist seither einer der Rufer im Streit eines
Offizierverbandes politisch scharf nationaler Richtung.
Das alles hatte ich längst vergessen. Die Straßenredner
wissen es. Nur daß sie das Sympathische weglassen. Das
Schlimme vergröbern. Jeder dieser tausend oder zwei-
tausend Redner hält fünfzig- oder hundertmal am Tage den-
selben Spruch an den verschiedensten Stellen. Von Kapp
dringt kaum etwas in das Volk hinaus. Aber durch die
Agitation auf der Straße wissen am Abend zwei Millionen
Berliner, daß eine Bande von Lumpen im Reichskanzler-
palais sitze.
Und es gibt viele Themen.
Hie und da wird der Erzberger-Prozeß erwähnt. Ge-
wiß, Erzberger habe sich vollgefressen. Ob aber Helfferich im
Kriege bloß von seinen Lebensmittelkarten gelebt habe? Das
ist kein ungeschickter Anfang. Nur reagiert das Publikum
meist sauer; zu tief sitzt schon die Moabiter Erkenntnis.
Außerdem ist Helfferich wirklich klüger als die Vielzuvielen.
Sieben-Tage-Buch
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