Full text: Hindenburg, Erzberger, Kapp

Ihm ist, so höre ich, gestern von den neuen Herren ein 
Portefeuille angeboten worden. Er hat kühl abgelehnt. 
Hie und da wird die Judenfrage gestreift. Sei es denn 
wirklich so schlimm mit der Herrschaft dieser Leute? Ein ein- 
ziger Minister in Preußen sei Jude, Hirsch, und das sei noch 
der anständigste von allen Ministern. übrigens, was die 
Straßenredner noch nicht wissen: dieser Hirsch hat sich bereit 
erklärt, auch unter dem neuen Regime sein Amt vorläufig 
weiter zu versehen. Auch ist das Thema einigermaßen kitz- 
lich. Es wachsen Gegenredner aus dem Boden, Angeschulte 
aus dem Publikum, und sagen: Gott sei Dank, daß die 
Zuden jetzt zur Bescheidenheit gezwungen werden würden; 
sie seien seit gestern schon ganz klein. 
Bei einzelnen Gruppen hören blaue Schutzleute zu. Sie 
sind immer noch innerlich verklärt. Wenn ein Redner fertig 
ist, sagen sie milde: „Nu geben Sie auseinander, sonst über- 
fährt Sie noch ein Rollwagen!“ 
Den Schutzleuten, dieser Verkörperung des alten 
Systems, werden von Freunden der Regierung Kapp auch 
immer die neuesten „guten Nachrichten“ gesteckt. Der sozial- 
demokratische Oberpräsident Winnig-Königsberg hat sich dem 
neuen Regime angeschlossen. Schlesien und überhaupt der 
ganze Osten hat die Fahne entrollt. Mecklenburg kommt. 
ülberall auch anderswo ist die Reichswehr gewonnen, die 
die bisherigen Gewalten absetzt. In Bayern haben neun 
Zehntel der Garnison sich für den Umschwung nach rechts 
erklärt, und daraufhin hat der sozialdemokratische Minister- 
präsident Hoffmann freiwillig einer bürgerlichen Regierung 
Platz gemacht. Die nach Dresden geflüchtete Reichs- 
vegierung hat nach Stuttgart „weitergemacht". Nur 
Württemberg und Baden sollen noch zu ihr halten. 
Damit könnte man schon etwas anfangen. Wemn man 
überhaupt etwas anfinge. 
18 —
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.