Full text: Hindenburg, Erzberger, Kapp

4. 
Montag, den 15. März. 
Der jungen Frau in dem kleinen Laden, in dem wir 
unser Viertelpfund Leberwurst holen, laufen die hellen 
Tränen über die Backen. 
„Diese Männer! Diese Waschlappen!“ 
Wenn sie sonst ihre Wurst, ihre Sardinen, ihre Räucher- 
fische, ihre Käschen verkauft, geht sie nicht aus sich heraus. 
Man muß Rücksicht nehmen auf die Kundschaft. Da ist ein 
ausgesprochener Sozialdemokrat, der früher drüben im 
Keller wohnte und jetzt in dem ersten Stock haust, früher sich 
gelegentlich einen Rollmops gönnte und jetzt täglich die 
teuerste Feinkost ersteht. Während der Novemberrevolution 
1918 hatte er plötzlich „geerbt“, hieß es. Nun läßt er die 
junge Frau in dem Lebensmittelgeschäft gut verdienen. 
Aber er ist patzig. Man darf ihn also nicht erzürnen, und 
seiner Art gibt es viele. 
Aber heute fallen alle Schranken. Hemmungslos gibt 
die junge Frau ihrem Schmerz, ihrem Zorn Ausdruck. Der 
Kaiser sei viel zu gut gewesen und darum an den Schuften 
gescheitert. Nun wehten zwar wieder die alten lieben Adler- 
fahnen dort weiter oben über den Ministerien. Aber sonst 
geschehe ja nichts, und noch würden die Schufte nicht reihen- 
weise erschossen. So kämen sie wieder hoch. And sie, sie 
würden sich dann weniger genieren. 
Das ist eine einfache Frau aus dem Volke. Wir haben 
nur ganz zufällig einmal erfahren, wie sie denkt. So wie 
sie denken aber ganze Heere von Frauen. In der Wagen- 
burg steht mit erhobener Streitaxt das germanische Weib. 
Und siebt, wie Männer zurückfluten. 
— 20 —
	        
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