Sie bleibt also zu Hause. Sie hat Wasser. Aber kein
Gas und keine Kohlen, kann also nicht kochen. Und da die
Beleuchtung auch ausgeht, legt sie sich abends um 7 ins Bett.
Ihr Verdienst ist weg. Und ihr Brot hat sie trocken essen
müssen, denn die Fettverteilung bleibt in dieser Woche aus,
und Wurst gibt es nicht mehr im Laden.
Am nächsten Tage schimoft sie straßauf, straßab über die
nichtsnutzigen Arbeitsscheuen, kommt mittags zu uns herauf
und bittet um ein paar warme Brattkartoffeln.
Sie weiß jetzt Bescheid.
Müll und Staub mehren sich und damit der Hustenreiz.
Die Aborte sind vielfach verstopft. Kleinkindermilch wird
knapp. Die krzte, die nicht streiken, legen Kberschichten
ein. In der Gegend Bahnhof Gesundbrunnen wird aber
selbst einem Arzt das Pferd ausgespannt. Der Kutscher soll
nach Hause, verlangt drohend die Menge. Der Wagen bleibt
da. „Arbeiten is nich! Generalstreikl“
Vor einem Jahre ist in Leipzig und anderswo der all-
gemeine Streik der Arbeiterschaft ausgerufen worden. Da
antworteten ihrerseits die Arzte mit Arbeitsniederlegung.
Und kein Beamter gab mehr Lebensmittelkarten aus. Und
überhaupt das ganze Bürgertum war in der Abwehr einig.
So brach der Streik denn alsbald zusammen. Diesmal in
Berlin aber hat die Demokratische Partei von vornherein
mit fliegenden Fahnen sich unter den Befehl des Proleta-
riats gestellt und es gegen die „Schwarzweißroten“ noch
eigens aufgehetzt. So ist denn ein geschlossenes Bürgertum
nicht mehr da. —
Auf den Friedhöfen stehen abgehärmte Mütter und
graben und schaufeln. Irgendein Liebes ist ihnen gestorben.
Wenn es nach dem Willen der Demokraten und Sozialdemo-
kraten geht, müssen sie mit dem verwesenden Leichnam weiter
hausen. Auch die Totengräber streiken.
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