Blättchen einmal gewendet hat. Es wäre lediglich diee Auf-
hebung der Amnestie nötig, dann würde der alte Hoch-
verratsparagraph des Strafgesetzbuches für alle Scheide-
männer genügen. Heute sitzen sie an der Macht, heute
machen sie alle die Anworsichtigen, die sich für die Zwischen-
regierung engagiert haben, vermögenslos und vogelfrei.
Bei Philippi sehen wir uns wieder.
An den Stacheldrahtgrenzen des Regierungsviertels
brandet eine unruhige Menge. Heute gibt es schon Straßen-
redner für die Räterepublik. Es scheinen nur unabhängige
und kommunistische Agitatoren da zu sein. Sie erzählen, daß
die „fluchwürdige“ Noske-Ebert- Regierung jetzt endlich vor
dem Volke kapitulieren müsse. Die Hauptsache sei schon ab-
gemacht: zunächst ziehe sich das gesamte Militär auf die
Innenstadt innerhalb des Spreebogens zurück, dann werde
die Arbeiterschaft bewaffnet als Sicherheitspolizei ausgestellt;
und das neue Kabinett dürfe nicht ohne Zustimmung der
organisierten Arbeiterschaft sich bilden.
„In der Verfassung steht es anders. In der Verfassung
ist mur von dem parlamentarischen Zustandekommen eines
Kabinetts die Rede.“
„Quatsch, Verfassung. Die machen wir uns alleine, wenn
das Geschäft besorgt ist und der Lausekopp, der Kapp, mit
seinen Leuten im Zuchthaus sitzt.“
Das sind efrischende Debatten. Die Teilnehmer sind
trefflich informierte Leute, wenigstens bringen sie alles mit
solchem Brustton heraus, daß kein Widerspruch sich regen
mag. Ein Mensch, der sicher nie in seinem Leben auch nur
eine Börsenmotig gelesen hat, ruft: „Nur die Räterepublik
kann uns wieder hochbringen. Durch die Geschichte mit
Kapp ist die Mark auf 2 Pfennige gesunken. JFetzt kriegen
wir keine Lebensmittel mehr!“
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