Philister über dir, Simson!
21. Oktober 1919.
Der blonde, geblendete Riese, gekettet in die Tretmühle
der Feinde: schon vor dem Weltkrieg rieselte es wie Er-
schauern und Ahnung von etwas Fernem, Unabwendbarem
über uns, wenn auf der Bühne die Oper von Saint-Sasns
abrollte und in den Rängen das Premierengelichter der
schwarzen Zwerge sich drängte. Heute könnten wir es kaum
mehr ertragen, unseres Volkes Schande und Blendung so
verbildlicht zu sehen. Philister über dir, Simson! Alles um
uns her versank in Nacht, alles zerbrach, wir erwachten in
Banden. Nun knallt die Peitsche des Treibers, und die uns
verraten haben, schleppen eilig Stöße um Stöße von Akten
herbei, um uns unserer „Schuld“ zu überführen.
Das ist, auf die eigentliche Essenz zurückgeführt, das
Schauspiel, das heute im Ausschußsaal 1 des Deutschen
Reichstages begonnen hat. Für den kommenden Staats-
gerichtshof soll der jetzige „parlamentarische Antersuchungs-
ausschuß“ die Schuldigen ermitteln und vernehmen. And das
ist nach seiner Zusammensetzung ein Ausschuß just derer, die
uns — geblendet haben.
Der blonde Riese, der einst Simson hieß und heute Teut,
steht in Arbeitsfron, sieht sein Vermögen beschlagnahmt, muß
allein zweieinhalb Millianden Mark jährlich für den Unterhalt
leiner prassenden fremden berwachungskommission bezahlen.
Der Feind hat nach den Worten Kleists gehandelt: „Schlagt
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