Full text: Hindenburg, Erzberger, Kapp

Werturteil und Mentalität 
18. November. 
Paragraphos wohl einstudiert hat er, der Herr Gothein. 
Nur leider nicht die richtigen. 
Wir baben ihn beinahe im Verdacht, daß er nicht nur 
ein französisches Lexikon gewälzt hat, sondern auch ein Buch 
über Logik und Erkenntnistheorie, um schnell noch gewisse 
Lücken seines Wissens auszufüllen. Was er da über Kants 
Unterscheidung zwischen sonthetischem und analytischem Arteil 
fand, das war für ihn zu hoch. Aber ganz gewaltig ein- 
leuchtend war ihm ein anderer philosophischer Kunstausbruck, 
und den hat er in der Sitzung denn auch glücklich zuschanden 
geritten. Wenn Ludendorff erklärt, die Moral des Heeres 
habe durch revolutionäre Einwirkung gelitten, so ist das nach 
Gothein nicht die Bekundung einer Tatsache, sondern ein 
„Werturteil“. Ebenso alles, was der General über das Ein- 
greifen irgendeiner Partei bekundet. Bitte: Werturteile sind 
in diesem Saale unzulässig. 
Auf die Frage Ludendorffs, was Gathein denn unter 
Werturteil verstehe, bleibt der Herr Vorsitzende die Antwort 
aber schuldig; genau so wie am Sonnabend die Antwort auf 
die Frage Helfferichs, welche Berufungsinstanz über Strafen, 
die vom Ausschuß verhängt seien, zu befinden habe. 
Diese vollendete Hilflosigkeit ist geradezu nieder- 
schmetternd. 
Wochenlang ist über die „Mentalität“ Wilsons und 
anderer Zeitgenossen lang und breit debattiert worden. über 
die Sinnesart unserer Parteiführer in den entscheidungs- 
schwersten Kriegszeiten aber darf man nichts sagen. 
Das ist doch schon vollkommene Verblödung. 
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