Diesen Eindruck hat vermutlich jedermann, der die Ver-
nehmung Ludendorffs nebst den ständigen Störungsversuchen
Gotheins im Verhandlungsbericht verfolgt. Wir verstehen
ja Gotheins Bedenken. Es könnte doch eines Tages jemand
kommen und am Ende gar über Gotheins „Mentalität"“
Feststellungen machen wollen. Unausdenkbar! Uns aber
genügt es vorerst, daß über die Denkungsart unserer beiden
großen Heerführer nach ihren gemeinsamen Bekundungen
an diesem Dienstag, die den Höhepunkt in dem bisherigen
Dasein der Untersuchungskommission bedeuten, kein Zweifel
mehr obwalten kann. Wenigstens in den Schichten des
Volkes, deren Presse den ungekürzten Bericht bringt; im
„Vorwärts“ und in der „Freiheit“ wird er ad usum Delphini
zurechtgestutzt.
Klareres als das, was Ludendorff bekundete, hat man
selten gehört. Nach dem wochenlangen Debattieren und
Sichverlieren ist ein disziplinierter Geist zu Worte gekommen,
der in militärischer Knappheit ein lebendiges Bild zu ent-
werfen vermag. Die dicksten Aktenbände können über die
Art, in der unsere Führer Entscheidungen trafen, keine bessere
Aufklärung geben.
Dieser „Hasardeur“ hat wie Atlas ganze Weltenlasten
auf sich getragen. Er war die Gewissenhaftigkeit selbst. Das
Märchen von einer militärischen Kamarilla ist für immer
zerstoben. ·
Nur das wissen wir jetzt allerdings, daß zwischen der
„Mentalität“ eines Hindenburg und Ludendorff auf der
einen, eines Bernstorff und Schulze-Gävernitz auf der
anderen Seite eine weltweite Kluft klaffte. Gothein versucht
mit seinem Leibe die beiden Parteigenossen zu decken,
Ludendorff geht furioso auf die trockenen Schleicher los, mit
einem Temperament, das geradezu verzehrend ist, wenn
man das eiskühle Verhaltensein Helfferichs damit vergleicht.
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