Helfferich schon jetzt die Karten auf den Tisch legen und um
Zählung ersuchen: daß der Abgeordnete Erz-
berger von Kriegsbeginn an bis zur Ver-
zichtresolution seinen politischen Einfluß
als Angestellter Thyssens für dessen wirt-
schaftliche Interessen eingesetzt hat, dürfte
bereits klar sein. Noch in der Klärung begriffen ist heute die
zweite Frage, ob Erzberger nachher, als er aus der Schwer-
industrie hinausgeflogen war, seinen politischen Einfluß um-
gekehrt gegen die Industrie hat spielen lassen. Sein Mehr-
heitskollege Südekum, zurzeit preußischer Finanzminister, be-
kundet, daß er von der Lauterkeit Erzbergers in diesen Dingen
überzeugt sei; andere Zeugen sagen anders aus.
Leider scheint es, daß, wie auf Bestellung, der Prozeß
jetzt bei Beginn der Aufklärung der Vertagung anheimfallen
soll. Ein törichter junger Mensch hat mit einem vorsintflut-
lichen Revolver zwei Schüsse auf Erzberger abgegeben; eine
der Bleikugeln soll durch den Winterpaletot hindurch-
gedrungen und — angeblich — in der Schulter stecken-
geblieben sein, so daß der Reichsfinanzminister sich in ärztliche
Behandlung begeben muß, während die andere auf dem
Bauche Erzbergers, an der Uhrkette, abprallte. In der
Menschengruppe, die an dem Auto Erzbergers stand, hielt ein
Mann mit Schauspielergesicht sozusagen a tempo eine Volks-
rede gegen die „Alldeutschen“, die dem „Ehrenmann“ Erz-
berger nach dem Leben trachteten, und zwar in einem Augen-
blick, in dem noch niemand wußte, wer der Angreifer sei;
rannte dann zur Trambahnhaltestelle, wo er die Ansprache
wiederholte; und hielt sie ein drittes Mal einige hundert
Schritte weiter. So wird das jetzt wie ein Lauffeuer durch
die ganze Mehrheitspresse gehen.
Ich aber wünsche Herrn Erzberger vollkommene Ge-
nesung innerhalb spätestens drei Tagen und wiederhole den
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