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bau vor dem überhandnehmenden Wild zu schützen. Auch die Geist-
lichkeit beteiligte sich gern an diesem Sporte, namentlich wenn es galt,
mit dem Jagdsalken auf der Faust hinauszuziehen. Eigentlich gehörte es
nicht so recht zum geistlichen Anstande und ist in manchem päpstlichen
mo erzbischöflichen Breve verpönt worden, aber die Leidenschaft war
stärker als das Amtsbewußtsein. Unser oft genannter Gewährsmann
für die Ottonenzeit, Bischof Thietmar von Merseburg, geriet in zornigen
Eifer, als er bei einem Besuch in der Rochlitzer Gegend im Mai 1018,
wo ihm ein großer Forst geschenkt worden war, die von dem jungen
Grafen Ekkihard, dem nachmaligen Markgrafen von Meißen, aufgestellten
Netze sah, die ihm das Wild abfangen sollten. Da er keine Trans-
portmittel zur Hand hatte, um sie gleich mit fort zu schaffen, so ließ
er wenigstens einen Teil des verhaßten Gerätes durchschneiden und
legte selbst mit Hand an. Er gesteht dabei zwar nicht, daß er die
Verminderung des Jagdvergnügens so ungern gesehen habe, aber es
läßt sich wohl aus seinem Berichte herauslesen. Dagegen dachte sein
zeitgenössischer Amtsbruder Arnulf von Halberstadt (996—1023) strenger
über diesen Punkt. Er weilte am Tage des heiligen Cyriakus (16. März)
1013 zu Gernrode, in dem von Markgraf Gero zu Ehren des genann-
ten Heiligen gestisteten Kloster, und zwar auf Einladung der frommen
Abtissin Hathawi. Als er nach beendeter Messe von der Kirche weg
einen Spaziergang unternahm, sah er einen Geistlichen mit einem
Jagdfalken auf der Hand. Alsbald ergriff er ihn, von frommem
Eifer erfaßt, beim Arme, um ihn beiseite zu führen und ihn mit
mäßigen Worten zu strafen, namentlich da die Sache ja in seiner
eigenen Dihßzese sich begab. Der also Getadelte erfreute sich aber bei
den Kriegsleuten so großen Ansehens, daß diese in übertriebener Ent-
tästung in Menge heranrückten, um den Bischof zu züchtigen; der aber
hielt sich so gut versteckt, daß sie ihn nicht fanden; sonst hätte er
vielleicht gar mit seinem Blute seine amtliche Pflichterfüllung haben
büßen müssen.
Der erzählte Vorgang ist auch nach einer anderen Seite hin
charakteristisch; auf die sinnlose Gewaltthat folgte nicht ganz drei
Wochen später eine zerknirschte Reueszene vor dem beleidigten Bischof.
Nichts berührt überhaupt in der damaligen Sittengeschichte so sonderbar,
als das Gemisch von Trotz und Unterwerfung, von Stolz unb
Sitnrmhoefel, Geschichte der sachsischen Lande.