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ursprünglich vorhandenen drei Türmen nur noch der eine, der sogenannte
höckerige, vorhanden ist, eine gegen 20 Meter hohe Spitzsäule von
durchbrochener Arbeit. — Viel älter aber und in ihrer Art hochbedeutend
sind zwei noch durchaus der romanischen Periode angehörige Bau-
werke, die eine solche Vollendung der Kunst zeigen, daß man sich nur
wundern kann, wie eine so ausgezeichnete Meisterschaft sich namenlos
verlieren und auch keine Nachfolge hinterlassen konnte. Wir meinen
die 1174 erbaute Klosterkirche zu Zschillen (Wechselburg), die in ihrem
Altar und ihrer Kanzel ausgezeichnete Werke der mittelalterlichen Bild-
hauerkunst einschließt und außerdem auch eine Statue des Gründers,
Dedo des Feisten. Das zweite Bauwerk ist die goldene Pforte am Dome
zu Freiberg; der von Otto dem Reichen errichtete romanische Bau, von
dem jene ein Überbleibsel ist, wurde 1484 durch Feuer zerstört und
nachher im spätgotischen Stile wieder aufgebaut. Die goldene Pforte,
die ihren Namen von einer früher vorhandenen, jetzt aber verschwun-
denen Vergoldung ihrer Säulen und Figuren zeigt, ist im romanischen
oder besser im byzantinischen Stile gehalten. Auf schräg sich einziehenden
sogenannten Anschlagsmauern erheben sich halbkreisrunde Bogen, die
das Ganze schließen und sich von der länglich viereckigen, von zwei
starken Pfeilern eingesetzten Thüröffnung in immer zunehmender Er-
weiterung bis zu einem äußersten Vogen wiederholen. An jeder
Seite der Anschlagsmauern treten fünf Säulen hervor, von denen die
erste rechts und die erste links, als zur Einfassung und Deckung des
Ganzen dienend, etwas vorspringen. Sie haben glatte Schäfte, während
die anderen acht Säulen aufs mannigfaltigste ornamentiert sind. Zwischen
den Säulen befluden sich Nischen, in denen, auf kleineren Säulen
ruhend, Standbilder von entzückender Schönheit in Haltung, Gewan-
dung und Ausdruck angebracht sind. Sie stellen männliche und weib-
liche Personen des alten Testaments vor. Ungemein gestaltenreich
sind auch die Friese, die sich zwischen den auf den Säulen aufsetzenden
Rundbogen befinden. Sie umrahmen das Halbrund über der Thüre,
das auf die Weihung der Kirche, die der heiligen Jungfrau errichtet
war, hindeutet. Die Mutter Gottes, die in der Mitte der Darstellung
auf einem Throne sitzt, hält in ihrem linken Arme das Chriftuskind,
links und rechts ihr zu Häupten schwebt ein Engel, links von ihr
steht der Engel der Verkündigung, hinter dem in sitzender Stellung