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noch nicht, daß auch er hierbei seinen Vorteil im Auge hatte, da er
einen Teil des aus dem Ablaßhandel sich ergebenden Erlöses zur
Deckung seiner Verbindlichkeiten gegen das große Handelshaus der
Fugger für sich zurückbehalten wollte. Zum Vertreiber des Ablasses
erwählte er sich den aus Leipzig stammenden Dominikanerprior von
Pirna, Johann Tetzel, der bereits 1507 und 1508 als Ablaßkrämer
für die Deutschordensritter in Preußen in Meißen thätig gewesen war.
Es ist bekannt, daß er den Ablaß, ganz im Gegensatz zu der ursprüng-
lichen Lehre der Kirche, auslegte als einen Kaufbrief der Sünden-
vergebung und daß er, um noch bessere Geschäfte zu machen, auch von
der durch die Kirche ausdrücklich vorgeschriebenen Buße dispensierte.
In den Kirchen ließ er das rote Ablaßkreuz mit dem pöpstlichen
Wappen aufrichten, von dem er behauptete, es vermöchte ebensoviel,
wie das Kreuz Christi, und pries in marktschreierischer Weise dem
zuströmenden Volke die Kraft des Ablasses an. In dieser Weise
trat er auch zu Zerbst und zu Jüterbogk auf, also in der Nähe
Wittenbergs; denn nach Wittenberg oder überhaupt in die sächsischen
Lande zu kommen, hinderte ihn das Verbot des Kurfürsten, der schon
1501 das von dem Kardinal Raimund in Kursachsen gesammelte Geld
zurückbehalten hatte. Da nun aber viele wittenberger Bürger hinüber-
liefen ins Brandenburgische, um sich in Jüterbogk Ablaß zu kausen,
so beschloß der wittenberger Mönch und Professor Martin Luther,
der sich schon 1516 gegen den Ablaß ausgesprochen hatte, wie vor
ihm schon so mancher, zur Belehrung der irregeleiteten Gemüter etwas
zu thun. Am Tage vor Allerheiligen, dem Kirchweihfeste der Schloß-
kirche, das zahlreiche Geistliche und Laien auch aus der Umgegend
anzulocken pflegte, also am 31. Oktober 1517, schlug er die in latei-
nischer Sprache verfaßten 96 Thesen, die von dem Ablaß und der
Sündenvergebung handelten, an die Thüren der genannten Kirche.
Es ist nicht der Ort, auf die allbekannten Thatsachen aus Luthers
Vorleben näher einzugehen. Der in Eisleben am 10. November 1483
geborene Bergmannssohn hatte seine Vorbildung auf den Schulen
von Mansfeld, Magdeburg und Eisenach erhalten, am meisten gefördert
durch die letztgenannte Stadt, und dann 1501 die Universität bezogen,
um Jura zu studieren. Er war schon 1505 Magister der freien
Künste, trat aber, durch den plötzlichen Tod eines Freundes geschreit