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stenographischen Berichte eingefügt worden war. Auch wußte man
in München ebenso wie in Berlin, daß Osterreich in Paris die frei-
willige Zession Venetiens angeboten hatte, wenn es damit die Neu-
tralität Frankreichs und Italiens und eine Gebietsentschädigung
auf Kosten Preußens erlangen könne. Somit blickte man in Süd-
deutschland mit sorgenvollem Auge nach Westen, und noch vor
der Abstimmung des 9. Mai wurde die Mobilmachung der bay-
rischen Armee beschlossen und am 10. Mai verfügt. Dies geschah
freilich nur zur Wahrung der eventuell bedrohten eigenen Inter-
essen. Denn auf einer erneut zu Bamberg am 13. und 14. Mai
abgehaltenen Konferenz der Minister Bayerns, Sachsens, Würt-
tembergs, Badens, Hessen-Darmstadts und der sächsisch-thüringi-
schen Staaten redete man zwar unter Widerspruch Badens von
der Notwendigkeit einer kriegerischen Politik, worauf übrigens der
thüringische Bevollmächtigte Herr von Seebach abreiste, aber
v. d. Pfordten hatte für Sachsen nichts anderes übrig, als das Ver-
sprechen einer „diplomatischen“ Unterstützung, da Bayern seine
Soldaten für sich selbst gebrauche; außerdem war er voller Tadels
über die Unzuverlässigkeit und ungeschickte Politik Osterreichs. Trotz=
dem konnte sich Beust nicht von der Hoffnung trennen, daß Bayern
für Sachsen sein Schwert ziehen werde; daß ihm in weiterer
Perspektive der sichere Sieg Osterreichs vorschwebte, wissen wir
aus seiner Unterredung mit dem Herzog Ernst von Koburg. Aus
diesen zwei Gesichtspunkten resultierte seine Stellungnahme gegen
Preußen, die er auch durch seine Organe der öffentlichen Meinung
zu empfehlen suchte.
Er tat das mit Erfolg. Denn im gesamten Sachsenlande
flammte, angefacht durch Erinnerungen, die auf den Sieben-
jährigen Krieg und die Teilung des Jahres 1815 zurückgingen,
ein allgemeiner Haß gegen Preußen auf, gegen den sich nur hier
und da die Stimme der Vernunft zu erheben wagte. Namentlich
Handels= und industrielle Kreise, die sich in ihren Interessen be-
droht fühlten, waren gegen die kriegerische Politik der Regierung.
Am meisten erregte in dieser Beziehung eine von dem Rate und
den Stadtverordneten zu Leipzig am 5. Moi beschlossene Pe-
tition an die Staatsregierung Entrüstung, daß jede Maßregel,
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