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ein königlicher Armeebefehl des Inhalts, daß die Armee vom
20. Mai an auf den mobilen Etat trete, und daß das Kommando
des mobilen Korps der Kronprinz übernehme. Bezeichnend für
die Empfindungen des Kronprinzen angesichts der seiner harren-
den Aufgabe ist sein Brief vom 9. Mai an den Kriegsminister
von Rabenhorst: „Wie gern bliebe ich auch in der nächsten gefähr-
lichen Zeit an zweiter Stelle unter Ihrem bewährten Kommando,
denn wahrlich Ruhm wird wenig zu haben sein, Ehre und Repu-
tation aber oft auf dem Spiele stehen. Nur das Gefühl meiner
Pflicht gegen das Land kann mich bewegen, die so schwierige
Stellung anzunehmen.“ — Der Kronprinz kannte wohl seit 1849
und von verschiedenen Manövern her die Stärke und tüchtige
Ausbildung der preußischen Armee und die überlegenheit des
preußischen Zündnadelgewehrs. Merkwürdigerweise hatte Raben-
horst gegen diese Waffe eine solche Abneigung, daß bei der Aus-
stattung der Infanterie mit neuen Gewehren in den Jahren 1860
bis 1862 nicht das Zündnadelgewehr, sondern das gezogene öster-
reichische Vorderladegewehr, System Lorenz, eingeführt worden war.
Zu diesen Besorgnissen kamen noch schwere Bedenken wegen der
Langsamkeit und strategischen Anfechtbarkeit der österreichischen
Aufstellung. Ringelsheim hatte ganz offenherzig erklärt, daß das
österreichische Heer augenblicklich dem sächsischen noch nicht zu
Hilfe eilen könne, weil es noch nicht genügend gerüstet sei, wes-
halb auch Beust zu ihm sagte: „Laßt Euch lieber drei Ohrfeigen
geben, als daß Ihr losschlagt, bevor Ihr fertig seid.“ Aber
außerdem gingen Benedek, der am 12. Mai das Kommando der
österreichischen Nordarmee, übrigens sehr gegen seine innerste Über-
zeugung, übernommen hatte, und sein Generalstabschef Krismaniê
von der Annahme aus, daß die Preußen von Schlesien her ins
Land brechen würden, und hatten deshalb Olmütz zur Basis der
Aufstellung des Heeres gewählt. Schon aber wurde es klar durch
die Truppenanhäufungen an der Nordgrenze Sachsens, daß der
preußische Vorstoß sich durch dieses Land auf Böhmen richten
würde. «
Kronprinz Albert schrieb deshalb am 20. Mai an Benedek,
er möge ihm doch Näheres über seine Anordnungen und Ab-