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Wilhelm auf dem Heller bei Dresden. Es stand dort unter
der Führung des Generalleutnants Prinzen Georg die 23. Divi-
sion in Parade; an die übliche Vorbeiführung schloß sich eine
größere Gefechtsübung. Diesem Besuche des Königs, der vom
7.—9. Sept. währte, folgte ein solcher des Kronprinzen Friedrich
Wilhelm und seiner Gemahlin vom 9.—12. Okt. Aber einen
Besuch von höchster politischer Bedeutung brachte der Geburtstag
des Königs, indem am 12. Dez. unter den Gratulanten, begleitet
von seinem Legationsrate von Keudell, Graf Bismarck sich ein-
stellte. Er hatte dem Minister von Friesen vorher ausdrücklich
diesen Wunsch ausgesprochen und um die nötige Vermittlung ge-
beten, dabei betonend, daß er durch diesen Höflichkeitsakt seine
Auffassung des Bundes vom nicht preußisch-partikularistischen
Standpunkte aus beweisen wolle. Er konnte mit der Überzeugung
Dresden verlassen, daß man sich hier trotz der kurzen Spanne
Zeit in die neuen Verhältnisse im wesentlichen mit Befriedigung
hineingefunden hatte. — Auch Moltke kam im Sommer 1869
zum Zwecke einer Generalstabsreise nach Sachsen. Einige vierzig
preußische, württembergische und sächsische Offiziere versammelten
sich am 11. Aug. 1869 in Dresden, wo ihnen Kronprinz Albert
ein Gastmahl gab, um dann unter der Leitung des großen
preußischen Strategen das Gelände von Großenhain bis Stolpen
zu studieren und zur Grundlage militärischer Ubungsaufgaben zu
machen. Von Stolpen aus machten die Offiziere noch einige
reizvolle Ausflüge in die sächsische Schweiz und wurden schließlich
mit einer Bowle vom Kronprinzen verabschiedet. Das Haupt-
ergebnis dieser Tage war das freundschaftliche Verhältnis, das
sich zwischen dem greisen preußischen Strategen und dem auch
in kriegerischer Arbeit herangereiften sächsischen Thronfolger an-
spann. Regelmäßig erschien von nun an Kronprinz Albert bei
den größeren preußischen Truppenbesichtigungen.
Ganz naturgemäß bildete Kronprinz Albert ein Bindeglied
zwischen dem neuen norddeutschen Staatengebilde und dem aus
Deutschland ausgeschiedenen Osterreich, wo der frühere sächsische
Premierminister von Beust nunmehr am politischen Ruder stand.
Es dürfte zweifellos sein, obwohl uns darüber authentische Nach-