Full text: Das Erzgebirge in Vorzeit, Vergangenheit und Gegenwart.

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und primitiven Stufe stehen blieb, wie in den ersten Jahrhunderten 
der Ansiedelung. 
Nur an einzelnen Stellen sind bemerkenswerthe Häuser in Fach- 
werkbau erhalten; in der Mehrzahl machen sie, wo sie noch vor- 
handen, einen einförmigen Eindruck, besonders weil ihnen in der 
Anordnung von Balkenwerk, Fenstern u. s. w. jegliche subjektive 
Mannigfaltigkeit fehlt und ein schablonenhaft gleichmäßiges Aeußere 
von Ost bis zum West, auf dem ganzen Gebirgsabhange hin vor- 
wiegend geworden ist. 
In den größeren Städten, deren Bürgerschaft mehr Mittel besaß, 
vor Allem in den Bergstädten zur Zeit ihres Aufschwunges, entstanden 
allerdings Bauten, deren Ueberreste, wo fie überhaupt bemerkbar 
sind, in hohem Grade das Interesse beanspruchen. Die Perioden 
jedoch, in welchen der erwachende Kunstsinn in Folge und im Zu- 
sammenhange mit dem zunehmenden Wohlstande wirken konnten, waren 
meist kurze, denn sie waren zwischen Drangsalsperioden eng eingefügt. 
Der im Beginn des 16. Jahrhunderts eintretende großartige Auf- 
schwung des Gebirges wurde schon kurz nach 1540 durch die Kriege 
des Schmalkaldischen Bundes, den eigentlichen Schmalkaldischen Krieg 
und den Kriegszug Kaiser Karl V. gegen Kurfürst Johann Friedrich 
unterbrochen. Die Kriegszüge der Kurfürsten Moritz und August 
wirkten zwar ebenfalls nicht unmittelbar auf das Gebirge und die 
Bergstädte, doch war ihr Einfluß, in Verbindung mit dem abnehmen- 
den Erträgniß des Silberbergbaues hinreichend, um dem Geschmack 
und dem Schönheitssinn in Bezug auf Bauwerke eine Grenze zu 
setzen, welche mit dem dreißigjährigen Kriege und seinen verwüsten- 
den und zerstörenden Gange auf das Allereinfachste und auf das 
Allernothwendigste, schon in Folge der vollständigen Erschöpfung aller 
Mittel, herabgedrückt wurde. 
Es sind nur hie und da noch einzelne Reststücke aus besseren 
Zeiten übrig geblieben. Trotz verschärften Bauvorschriften und ver- 
besserten Feuerordnungen, denen 1541 die Leipziger als Muster 
voranging, und ungeachtet des wachsenden Verständnisses für Bau- 
kunst und des an vielen Stellen sich bemerkbar machenden Einflusses 
besseren Geschmackes, sind im Ganzen doch nur wenige Privatbauten 
in den Städten des Gebirges noch vorhanden, welche aus früheren 
Jahrhunderten stammen und als Musterwerke mittelalterlichen Haus- 
baues bezeichnet werden können. Leider kann man nicht verschweigen, 
daß in der neuesten Zeit noch vortrefflich erhaltene, mustergültig ge- 
baute Häuser der geldgierigen Speculation und dem Mangel jedweden 
Verständnisses in vandalischer Weise zum Opfer gefallen sind. 
Hie und da aber findet man noch in den Städten stattlich ge-
	        
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