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natürlichen Böschungen nicht auf 45 Grad gesetzt haben würde, wenn
er den Südabhang des Erzgebirges, und hauptsächlich in der Central-
gruppe, näher kennen gelernt hätte. Man kann es im Interesse der
Wissenschaft nur beklagen, daß der aus den kleinsten Verhältnissen
sich heraufarbeitende Mann weder diesen Theil des Erzgebirges, noch
ein Stück Voralpen kennen gelernt hat. Bei den gegenwärtig leichten,
ausgedehnten und billigen Verbindungen kann man sich keine rechte
Vorstellung davon machen, mit welchen Schwierigkeiten und mit welchem
Aufwande das Reisen noch im ersten Drittel dieses Jahrhunderts
verbunden war, und aus diesen Verhältnissen erklärt es sich doch hin-
reichend, daß nur reisen konnte, wer über bedeutende Mittel zu ver-
fügen hatte. — Major Lehmann entwickelte die Grundsätze der
horizontalen Projektion, der Einheitlichkeit des Maßstabes für die
Zeichnungen und alle ihre Details, der senkrechten Beleuchtung und
des Schwärzeverhältnisses der Schraffen an 26 von ihm persönlich
aufgenommenen Quadratmeilen im Erzgebirge. Die engherzigen An-
schauungen über Grenzverhältnisse hießen aber noch viele Jahrzehnte
später die topographische Arbeit an den Grenzsteinen aufhören, als
sei dort die Welt mit Bretern verschlagen. Auch hieraus erklärt sich,
daß Lehmann den Südabhang des Gebirges wenig, vielleicht gar nicht
kennen lernte. Bei der Zweckmäßigkeit und Richtigkeit seiner Lehr-
sätze, welche Napoleon I. sofort ins Französische übersetzen ließ, würde
es die naturgemäße Folge seiner Bekanntschaft mit dem steilen Süd-
abhange des Erzgebirges gewesen sein, daß er den Schwärzepunkt der
Bergzeichnungsskala nicht auf 45, sondern auf 66 3/8 Grad legte, die
Höhe zur Anlage wie 2:1. — Diese größte Steilböschung, welche
in vielen mit Grasnarbe überzogenen Abhängen der Alpen und Vor-
alpen, sowie in zahlreichen Abhängen der Mittelgebirge, wie z. B.
am Südabhange des Erzgebirges und in den Schuttkegeln des Kling-
steingerölles sich wiederholt, würde erst den natürlichen Abschluß für
die graphische Darstellung gebildet haben. Ohne weiter in die all-
gemeinen Formen der Bergzeichnung einzugehen, soll nur noch darauf
hingewiesen werden, daß es gewisse Böschungswinkel giebt, welche nach
Maßgabe des Untergrundes sich auf größerem Territorium konstant
wiederholen.
Die seinerzeit von Lehmann willkürlich und in ungleichen Ab-
ständen, mehr nach dem Bedarfe des Zeichners als nach Regeln der
Bergzeichnung zu Grunde gelegten Horizontalen würden schon damals
die ihnen gebührende Bedeutung erlangt haben, wäre die Höhen-
messung nicht mit außerordentlichen Schwierigkeiten verbunden gewesen.
Seit Verdrängung des Quecksilberbarometers durch die verbesserte
Kippregel und seit Verwendung dieser letzteren zum Messen von