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Nahrungemittel, sie lagen in einer kalten Herbstnacht auf dem durch-
näßten Gebirgsboden. An Futter für die Pferde war kaum zu denken.
Die Grenzdörfer waren fast bis auf das Gerippe zerstört und alle
nicht massiven Häuser zur Unterhaltung der Wachfeuer gebraucht
worden; sie trugen die Spuren der Verwilderung dieses Krieges im
schrecklichsten Umfange. — „So war es in alle den unglücklichen
Dörfern längs der Grenze, wo bald Franzosen, bald Russen Wohnung
machten.““) «
Man darf sich daher nicht wundern, daß auf dem Gebirgskamme,
wie auf dem Gebirgsabhange, bis weit nach der Thalebene hinab,
nur selten noch alte Gehöfte und alte Gebäude gefunden werden.
Was aus den Verheerungszügen der Hussiten und aus den Raub-
und Brandzeiten des dreißigjährigen Krieges etwa übrig geblieben
war und die Drangsale des siebenjährigen Krieges überstanden hatte,
ging in diesen Tagen zu Grunde. Wiederholt ausgeplündert, ihres
Viehstandes vollständig beraubt, ohne Saatgetreide, ohne Geldmittel
stand ein großer Theil der erzgebirgischen Bauern und Wirthschafts-
besitzer vor den Trümmern ihrer Wohn= und Stallgebäude, als der
Herbst 1813 zu Ende ging.
Den ganzen September hindurch war das Gebirge mit Truppen
überfüllt. Kosacken durchsuchten jeden Winkel, raubten und plünderten
überall, aber die andern Truppen machten es nicht anders oder besser.
Das Dorf Fürstenau wurde acht Wochen lang jeden Tag ausgeraubt,
bis Nichts mehr zu finden war. Fürstenwalde wurde geplündert und
niedergebrannt, in Breitenau Kirche, Pfarre, 5 Wohnhäuser, 20 Scheunen
eingeäschert u. s. w. Bis Kreischa, Quohren, Lockwitz u. s. w. wurden
die Dörfer von Franzosen, Oestreichern und Russen abwechselnd aus-
geplündert. Die Viehzucht der ganzen Gegend war schon bei dem
ersten Rückzuge der Alliirten vernichtet worden. Mancher Bauer be-
hielt nicht Ein Stück Vieh im Stalle. Ganze Heerden wurden weg-
getrieben, und auf der böhmischen Grenze um ein Spottgeld verkauft.
Lange Jahre waren nöthig, um den Viehstand auf den früheren
Stand zu bringen, und überhaupt die zu Grunde gerichteten Bewohner
sich wieder erholen zu lassen.
Den 11. September ritt Napoleon auf einem ziemlich schwierigen
Seitenwege über Oelse auf die große Straße und auf den Nollen-
dorfer Berg vor. Die Kanonen donnerten mit vielfachem Echo in
das Thal gegen Kulm. Die Nacht verbrachte Napoleon in der Pfarr-
*) O. v. O. (Otto von Odeleben), Napoleons Feldzug 1813 in
Sachsen. Odeleben war 1813 Major und als Napoleons Ordonnanz-Officier
und Führer während des ganzen Feldzuges im Hauptquartier. Streng objektive
Haltung gereicht seiner anziehenden und lebendigen Darstellung zur hohen Zierde.