Full text: Das Erzgebirge in Vorzeit, Vergangenheit und Gegenwart.

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weißer Leinwandkranz hervorsteht. An die bis zu den Knieen reichenden 
weißen Leinwandhosen schließen sich weiße Strümpfe und schwarze 
Schuhe. An der rechten Schulter ruht ein Beil, die Bergparde. 
Es folgt nun in Bergmannstracht das Musikcorps und darauf 
die Bergfahne, vom ältesten Steiger getragen. 
Dahinter gehen die Beamten der theilnehmenden Gruben in 
halber Parade, d. h. in blauschwarzer, mit goldenen Tressen und 
Knöpfen besetzter Kleidung, an der Seite den Säbel, auf dem Kopfe 
den dreieckigen Hut mit grünseidener silberner Cokarde. In ihrer 
Mitte haben sie den Bergprediger. 
Die Berghandwerker, Schmiede, Maurer und Zimmerlinge bilden 
das Centrum des Zuges und die Häuer und Lehrhäuer (ohne Knie— 
bügel), Knechte und Bergjungen den Schluß. 
Der jüngste Steiger geht zuletzt. 
Nach dem Gottesdienste marschiert die Bergparade wieder nach 
dem Markte zurück, wo sie entlassen wird.) 
Das Tagesleben des Bergmannes beginnt mit der 
Wanderung nach dem Berggebäude auf hoher Halde. Die Namen 
der Berggebäude haben zum großen Theile eine religiöse, glaubens-= 
volle Beziehung, wie z. B. Liebe Gottes, Gottes Hilfe, Christbescheerung, 
Unsere liebe Frau am Wege, Himmelfahrt, Himmelsfürst u. s. w., 
oder eine locale Bezeichnung, wie z. B. Rothe Grube, Hohe Birke, 
Weißer Hirsch, Thurmhof, Reiche Zeche, Mordgrube, Brüllender Löwe, 
Neugeschrei u. s. w., oder sie beziehen sich auf Heilige, Fürsten, 
Grubeneigenthümer, wie z. B. Abraham, Elisabeth, Johannes, Herzog 
August, Prinz Leopold, Kurprinz, Fürst zu Sachsen u. s. w., 
abgesehen von zahlreichen einzelnen, ganz eigenthümlichen Namens- 
gebungen. 
In früher Morgendämmerung, einen Theil des Jahres sogar 
noch bei Dunkelheit, erreicht der Bergmann das Grubengebäude, wo 
sich die Bergleute in der Betstube vereinigen und nach gemeinschaft- 
lichem Gesang und Gebet zu ihrer Arbeit hinabsteigen. Die Fahrten 
sind nach Maßgabe der Strecke, auf welcher gearbeitet wird, und nach 
der Tiefe, in welche der Schacht vorgedrungen ist, verschieden tief. 
Zur Zurücklegung einer jeden Fahrt zwischen den 24 Lachter (48 m) 
von einander liegenden Strecken dienen etwa 144 Sprossen, welche 
auf 5 bis 6 Leitern abwärts wie aufwärts, bei einer Schachttiefe bis 
zur 10. Strecke also ungefähr 1440 Sprossen zu steigen sind. Wo 
keine Fahrkunst das Ausfahren und Einfahren erleichtert, kann man 
*) Dr. M. Spieß, Aberglaube, Sitten und Gebräuche des sächsischen 
Obererzgebirges.
	        
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