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Die Frontansicht des Schlosses Stein ist zwar immer noch eine
recht stattliche, durch den Eckthurm geschmückte; aber vor 40 Jahren,
wo die Burg dem Verfalle weit näher stand, wie jetzt, war sie nicht
blos malerischer, sondern ihre Anlage und der Zusammenhang ihrer
Befestigungen klarer und deutlicher. Die Restauration der Burg, kahl,
nüchtern, für den gegenwärtigen Gebrauch vielleicht zweckmäßig, auf
alle Fälle aber billig, hat ohne Rücksicht auf die nothwendige Erhal—
tung einzelner Theile Mauerwerk abgetragen und niedergelegt, das
stehen bleiben sollte, um eine der schönsten Burgen Sachsens in ihrer
Anlage verständlich bleiben zu lassen.
Das um und in den Felsen gebaute Schloß, dessen erste Anlage
in das 13. und 14. Jahrhundert fällt, bildete drei Abschnitte. Die
niedere Burg, in der Front von dem Wallgraben, in der Flanke von
der Mulde gedeckt, hatte eine mit Bögen und darüber befindlichem,
einstmalen auch bedecktem, Wallgange versehene Umfassungsmauer längs
der Mulde, während die Vorderseite von dem jetzt noch stehenden,
aber wenig glücklich restaurirten Hauptgebäude gebildet wurde. Der
32 m hohe Eckthurm flankirte beide Seiten. Zunächst dem Haupt-
gebäude war die mittle Burg an den Felsen angebaut, und an diese
stieß die obere Burg, welche auf dem bis in das dritte Stockwerk der
mittlen Burg reichenden Felsen stand und mit dem Haupthurme (dem
Luginsland) abschloß. Dieser obere Theil der Burg ist wahrscheinlich
der älteste Theil; der Rundthurm erhielt im 16. Jahrhundert die
Haube. Unter der Kapelle befinden sich doppelte Gewölbe, neben ihr
ein kleines Gärtchen und an dieses anstoßend das Hauptgebäude der
oberen Burg. Der Anbau der niedern Burg erfolgte während des
15. Jahrhunderts. Mitte des vorigen Jahrhunderts wurde die schöne
Burg zum größten Theile durch Brand zerstört.
Kurz hinter dem Schlosse wird der schmale Bergrücken von der
Eisenbahn durchbrochen; eine sanft ansteigende Straße führt in einem
Seitenthale nach dem Städtchen Hartenstein. Auf halbem Wege hat
man eine hübsche Ansicht des Schlosses Hartenstein, das sich auf
waldbedeckter Anhöhe über dem Städtchen erhebt. Auf dem Markte
desselben steht ein Haus in prächtiger Holzconstruction, mit Fronti-
spizen und einem Eckerker mit Zwiebeldach, etwa Mitte des 17. Jahr-
hunderts erbaut. Vor Zeiten, als noch ein mächtiger Birnbaum am
Spalier seine Aeste über die ganze Front ausbreitete und mit herr-
lichem Blättergrün Parterre und Etage deckte, so daß die Holzcon=
structionen nur schüchtern aus dem Laubwerk hervorlugten, gab das
Ganze ein herrliches Bild. Hartenstein ist der Geburtsort von Paul
Flemming (geb. 1609, # 1640 in Hamburg), des bedeutendsten